Der Journalist Felix Feigenwinter Basel

Willkommen auf der Website von Felix Feigenwinter

FELIX FEIGENWINTER, Jahrgang 1939, Kindheit und Jugend in Pratteln, Liestal und Basel (Schweiz). Sohn des basellandschaftlichen Strafgerichtspräsidenten Dr. Georg Feigenwinter und der Stadtbaslerin Elisabeth Lichtenhahn. Bruder der Schriftstellerin Adelheid Duvanel-Feigenwinter. 1971 Heirat in London mit der Dichterin, Feministin und Publizistin Dr. phil. Gunild Armyros geborene Schimmel (Gunild Feigenwinter).

Erste journalistische Arbeiten für die Basellandschaftliche Zeitung, das Basler Volksblatt und die Wochenzeitschrift Die Woche in den 1950erJahren. 1960-1965 Gerichtsberichterstatter und Regionalreporter der  Basler Nachrichten und anderer TageszeitungenMitarbeit für die schweizerische Depeschenagentur. Ab 1965 Mitwirkung am redaktionellen Aufbau des Gratisanzeigers doppelstab in Basel. Lokalreporter, Interviewer, Kolumnist. Als Direktionsassistent im Schweizerischen Sportmuseum verantwortlich für die Dokumentation der Ausstellung “Die Frau im Sport”, die anlässlich der 5. Gymnaestrada in der Basler Halle der Schweizer Mustermesse am 25. Juni 1969 eröffnet und anschliessend als Wanderausstellung in mehreren europäischen Ländern gezeigt wurde. 1971/73 Redaktor der aargauischen Freiämter Zeitung. 1973-1980 Redaktor des Basler doppelstab. 1981 in der Inlandredaktion der Luzerner Neusten Nachrichten (LNN). Danach Berufswechsel: Während 15 Jahren Sachbearbeiter in einer Sozialversicherungsanstalt (Ausgleichskasse des Kantons Basel-Landschaft) von Dezember 1981 bis 1996. Freie Mitarbeit für die satirische Zeitschrift Nebelspalter. 1996 Gründung und Leitung des Kleinverlags Isishaus. Schriftstellerisches Wirken als Romanautor (zwei Kriminalromane, erschienen 1978 und 1979 im Mond-Buch Verlag Basel) und Geschichtenschreiber (rund fünfzig Kurzgeschichten, die verstreut in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht wurden und heute zum Teil auch im Internet zu finden sind).

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Eine Archiv-Auswahl vielfältiger journalistischer Texte:         

INTERVIEWS:  GesamtschuleFrauenstimmrecht – Die Rettung des Fadenmolchs KOMMENTARE: Maierysli oder Wohnungen? – Konsequente A-Werk-PolitikEinseitige Jugendbefragung – Glaubenskrieg um A-WerkeQuerverbindung Bruderholz Kanton Jura: Neue Regioperspektive  – KOLUMNEN Basel als WohnortSchlecht belohnter Spareifer Wie der Schnabel gewachsen istStrassenverkehrsopfer Selbständig statt arbeitslos – Geliebte und gequälte TiereDer Schrei nach dem Jahr des Mannes – REPORTAGEN: König MelchiorJazz im OberbaselbietStirbt der Markt aus?In der Postkutsche über den HauensteinMit dem Polizeiauto durchs BaselbietAltersheim AbendfriedenNächtliche Durchreisende im Bahnhof Basel SBBStrafanstalt Liestal – Gefechtsschüsse über KuhfladenBlick in eine Bezirksschreiberei – Kuh Blum lässt sich die Klauen schneidenVon der Beaujolais-Schnecke zur WassermilchArbeiterkolonie Dietisberg – POLITIK: Basels Beteiligung an A-Werk Gösgen  – Portrait Helmut Hubacher SPS-PräsidentPortrait Hansjörg Hofer Parteisekretär PdAFristenlösungDer Aufstand von Pratteln – Laufental I  Volksentscheid Markthof  – Alte Post Liestal – GASTBEITRÄGE BAZ: Frau und ArmeeDer PillenknickKULTUR: Die Schriftstellerin Adelheid Duvanel – Begegnung mit Rolf Hochhuth – Der Dichter Rainer BrambachGespräch mit Gertrud IsolaniDer Komponist Ernst LévyLied der Menschenrechte aus Arlesheim – Kunstsammlung Robert von HirschDornröschenschlaf eines Kampfhahns Gedenkausstellung Karl AegerterDie Malerin Anna GrauwillerAusstellungen Joseph E. DuvanelWie fördert Basel seine Künstler?  – Der Kunstfotograf René Mächler  BASEL VON HINTEN: Obdachlose Eigenbrötler Vertriebene  – Seelische Ablagerungen an der Klagemauer Drogenprobleme  – Lebensabend zwischen Uten- und Rebgasse – Die BananenfrauTragödie eines Clowns – GESCHICHTLICHES: Baselbieter GeisterDer Ketzer David Joris und die Drahtzugmüllerin Jungfrau und ZiegenbockHexen im BaselbietBadischer Bahnhof – Flach statt nostalgisch – Gleichberechtigung – Underschrift vom Vatter SPORT: Volleyballspielerinnen Uni BaselLeichtathletik: Memorial Susanne Meier – Basketball als Basler SchulsportFussball: FCB privat:  GeisserFussball FCB privat: MaissenRad Querfeldein: SaladinRadrennbahn in Basel?Radsport: Interview mit Otto Vogt  –Radsport auch für MädchenSportmuseumNEBELSPALTER-SATIREN- KontaktGästebuch

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Soll sich die Schweiz verdeutschen? Felix Feigenwinters Gedanken zur Schweiz-Analyse von Hans-Hermann Tiedje in der “Neuen Zürcher Zeitung”  vom 10.12.2012 – “Warum verkauft sich die Schweiz so schlecht?”:

Hans-Hermanns Tiedjes Schweiz-Analyse liefert eine Reihe scharfsinniger Erkenntnisse mitsamt Anregungen zur Überwindung  der Krise. Die Quintessenz gipfelt in dem Satz: “Das Land sollte agieren und nicht immer nur reagieren”. Der gute alte Friedrich Dürrenmatt legte einem seiner Protagonisten die Idee in den Mund, die Welt würde untergehen oder “verschweizern”. In seiner heiter-ironischen Vision schwang noch eine schöne Portion überlegener Weltbetrachtung aus selbstbewusster Schweizer Sicht mit; doch inzwischen ist ein neues Jahrtausend angebrochen, und wir Schweizer scheinen uns mit der Schreckensprognose vertraut machen zu müssen, dass unser Land langsam aber sicher zum Entwicklungsland verkommen könnte, sofern wir nicht dagegen steuern. Tröstlich ist immerhin, dass Herr Tiedje die Schweiz neben Deutschland immer noch “für das beste Land der Welt” hält und die Lage nicht als hoffnungslos einschätzt, vorausgesetzt, das offenbar unzeitgemäss gewordene schweizerische Understatement und defensive Feilschen um Sonderrechte mit Beharren auf überholtem Sonderfall-Status weiche einem offenen, offensiv-forschen Auftreten. Müsste sich die Schweiz also sozusagen verdeutschen, um sich international wieder besser durchsetzen zu können?   F.F.

Ächtung statt Achtung von Chaos und Gewalt  Kommentar zum (manchmal allzu toleranten) Umgang mit gewalttätigen sogenannten Fussballfans  (“Basler Zeitung”,  April 2014):

Gewiss, die Dialogbereitschaft des eloquenten Präsidenten des Fussballclubs Basel, Bernhard Heusler, ist grundsätzlich zu begrüssen. Doch pädagogisches Bemühen stösst an Grenzen: Chaoten und Gewaltwütige lassen sich durch Gespräche und Argumente nicht immer beeindrucken. Fussball ist ein Spiel mit klaren Regeln, erfordert neben Leidenschaft und Kreativität auch Disziplin und Fairness – auch von den Zuschauern. Die Rote Karte, will sagen Bestrafung  nicht nur für Spieler, sondern ebenso für krass gegen Regeln verstossende sogenannte Fans ist/wäre daher angemessen. Klare Ächtung (statt Achtung, gar Bewunderung und Verharmlosung) von Chaos und Gewalt wäre auch im gesamtgesellschaftlichen Interesse und förderte das Fairplay. FCB-Veranstaltungen sind nicht nur eine clubinterne Angelegenheit, sie strahlen in eine breite Öffentlichkeit.  Felix Feigenwinter

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Felix Feigenwinter als Reporter und Interviewer unterwegs…

… bei Recherchen zu einer Dorfreportage im Oberbaselbiet:

Felix Feigenwinter mit Jenny und Geisser

Curriculum und weitere Texte von Felix Feigenwinter

– Reminiszenzen aus meinem Journalistenleben

Aus meinem schreibintensiven Leben (Sammlung journalistischer und literarischer Texte): http://feigenwinterfelix.npage.de

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Felix in Bern im Anker

Felix Feigenwinter erinnert sich:  “Als junger Mensch wollte ich nur Schriftsteller sein, Geschichten schreiben, dichten.  Aber die Zeitungsredaktoren, denen ich meine ersten Geschichten und Gedichte zur Veröffentlichung im Feuilleton schickte, delegierten mich an Veranstaltungen, damit ich darüber schreibe. So wurde ich Journalist.”

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LINKS ODER RECHTS?

In den 1970er Jahren versuchten Repräsentanten politischer Parteien vergeblich, mich einzuspannen. Als Journalist hatte ich aufklärerisch gewirkt, z.B. für die Entkriminalisierung der Militärdienstverweigerer aus Gewissensgründen und für die straflose Schwangerschaftsunterbrechung (Fristenlösung) argumentiert.  Ich schrieb Artikel gegen den Bau des Atomkraftwerks Kaiseraugst, setzte mich für die Besserstellung alleinstehender Mütter und ihrer Kinder ein. Ungewollt erwarb ich mir den Ruf eines “Linken”. Ein “Progressiver” wollte mich auf eine Parteiliste für die Grossratswahlen setzen – doch ich lehnte ab. Und als mir ein Vertreter des damaligen “Landesrings der Unabhängigen” (kein “Linker” im marxistisch-sozialistischen Sinn, aber ein kämpferischer AKW-Gegner) eine Stelle im Basler Parteisekretariat anbot, verweigerte ich mich mit der Begründung, ich wünschte parteipolitisch unabhängig zu bleiben – auch von den “Unabhängigen”…

Heute nun, alt geworden und parteilos geblieben, wurde ich (längst nicht mehr Berufsjournalist, sondern gelegentlicher Leserbriefschreiber) mit dem Urteil konfrontiert, meine jüngsten Meinungsäusserungen seien “konservativ”. Aus der “linken” werde ich jetzt also offenbar in die “rechte” Ecke geschoben. Aber nach wie vor hinterfrage ich ideologische Phrasen und plappere keine Parteiparolen nach – ich bleibe skeptisch und kritisch. Kurzum: Ich denke und schreibe weiterhin weder “links” noch “rechts”, sondern selbständig.

Felix Feigenwinter,  Basel

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Leserbrief von Felix Feigenwinter, erschienen am 23. Juni 2014 in der “Basler Zeitung” als Reaktion auf Tamara Wernlis Text “Wie viel Recht auf Privatsphäre hat ein Politiker?” (BaZ 18.6.14):

LIEBER AUTHENTISCH ALS SCHEINFREUNDLICH

Charisma der Freundlichkeit spiele für die Vertrauenswürdigkeit einer Person die grösste Rolle, zitiert Tamara Wernli den PR-Berater Klaus Stöhlker. Die Einsicht entspricht gängiger Gebrauchspsychologie; professionelle Imagepflege und Verhaltenserziehung auch zu kommerziellen Zwecken machen sie sich zu eigen. Das Ergebnis ist ein menschliches “Produkt”, das sein Image mit Dauerlächeln und angenehm-kommunikativem Auftreten verbessern will. Kantige, gar grimmige Figuren, wie sie die Politik früher stets hervorbrachte, sind in der Konsum- und Spassgesellschaft kaum gefragt. Aber Politiker sind nicht nur “Promis”, sondern sollten Anliegen der Bevölkerung umsetzen; hinter oberflächlicher Maske sind Qualitäten gefragt. So gesehen gefällt mir das eher unfreundliche, aber authentische Verhalten von Regierungsrat Baschi Dürr, sein Privatleben betreffend. Seine Verweigerung erhöht seine Glaubwürdigkeit. Auch Politiker haben ein Recht auf Privatsphäre; deren Schutz soll nicht voyeuristischer Sensationsgier geopfert werden.

Felix Feigenwinter, Basel   

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Leserbrief von Felix Feigenwinter, erschienen am 10. September 2014 in der “Basler Zeitung” als Reaktion auf den Text “Adie, BaZ, das wars für mich” von Brigitta Hauser-Schäublin in der Rubrik “Einspruch” (BaZ 9.9.14):

MEINUNGSMONOPOL IST GEBROCHEN

Nachdem schon Hunderte Leser mit dem heroischen Schlachtruf “Rettet Basel!” nach der Rettung der letzten Basler Tageszeitung (früher waren’s vier) durch Christoph Blocher kollektiFelix vor dem Schweizerhof Sils 24.Juli 2008v empört ihr BaZ-Abo gekündigt haben, verabschiedet sich nun auch Brigitta Hauser-Schäublin*, die sich anfangs noch eine “Vielfalt der journalistischen Meinungen” erhoffte. Auch wenn ihr Widerwille nachvollziehbar ist, wo es “um angeblich von Frauen bedrohte Männlichkeit geht”, ihr Vorwurf der tendenziösen Einseitigkeit, die Basler Zeitung sei ein “Partei- und Personenblatt ihrer Eigentümer” mit Kolumnist Helmut Hubacher als “einsamen Rufer in der Wüste”, der als Feigenblatt genutzt werde, scheint mir doch übertrieben. Hat sie zum Beispiel sämtliche kritischen Texte anderer sozialdemokratischer Querköpfe wie Martin Schubarth und Roland Stark übersehen, das Interview mit Jean Ziegler, die Kolumnen von Regula Stämpfli? Die historisch reflektierenden Artikel von Chefredaktor Markus Somm  zu aktuellen politischen Themen provozieren auch  Widerspruch (der in der von Somm geleiteten Basler Zeitung aber nicht unterschlagen wird), bereichern die demokratische Debatte, beflügeln die intellektuelle Auseinandersetzung. Und nicht zu vergessen: Die regelmässigen Analysen zum “Antizionismus” der Schweizer Linken und des islamischen Antijudaismus haben Seltenheitswert in der schweizerischen Medienlandschaft. Ich jedenfalls geniesse die Lektüre der BaZ, die ein Meinungsmonopol endlich vielfältig gebrochen hat.

Felix Feigenwinter, Basel

*Brigitta Hauser-Schäublin, Basel,  ist Professorin für Ethnologie an der Universität Göttingen.

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WER INSTRUMENTALISIERT WAS UND WOZU?

Leserbrief von Felix Feigenwinter, erschienen in der “Basler Zeitung” vom 19. Januar 2015 als Reaktion auf den Artikel “Kleiner Charlie ganz gross” (BaZ 15.1.15):

So phänomenal die vom internationalen politischen und religionspräsentierenden Establishment begleiteten Massenkundgebungen gegen das Blutbad in der Redaktion von Charlie Hebdo auch waren, dem einhellig verkündeten “Je suis Charlie!” ist nicht zu trauen. Waren es nicht dieselben Kreise, die sich aktuell im Auftrieb der Massen in mainstreamiger Eintracht angeblich so sehr für unbegrenzte Meinungsfreiheit einsetzen, die vor noch nicht langer Zeit gegenüber den Schöpfern der allseits als “mittelmässig” geschmähten dänischen Mohammed-Karikaturen jede Solidarität vermissen liessen? Im gleichen Atemzug, mit dem sie heute “Je suis Charlie” skandieren zugunsten einer angeblich hoch geschätzten Meinungsfreiheit (inklusive Religionskritik), diskreditieren sie andere Demonstranten, die von diesem demokratischen Recht Gebrauch machen,  und werfen diesen ausgerechnet “Instrumentalisierung” und “Missbrauch der Meinungsfreiheit” vor.

Felix Feigenwinter, Basel

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MEINUNGSAUSTAUSCH OHNE IDEOLOGISCHE SCHEUKLAPPEN

Leserbrief von Felix Feigenwinter, erschienen in der “Basler Zeitung” vom 11. März 2015 als Reaktion auf das Interview mit Christoph Blocher in der BaZ vom 2.3.15 und die Replik von Elisio Macamo in der BaZ vom 9.3.15:

Im BaZ-Interview erschien Christoph Blocher als fast grenzenlos neugierige, kreative und risikofreudige Persönlichkeit, die vorurteilslos und ohne Berührungsängste in der grossen weiten Welt agiert und ihre Erfahrungen mit fremden Menschen und Mentalitäten originell zu interpretieren wagt. In seiner Replik erwidert Professor Elisio Macamo aus kompetenter afrikanischer Sicht und mit geistreicher Eloquenz das Gespräch mit dem Unternehmer, Entwicklungshelfer (ja, auch das!) und aufsässig-provokanten Politiker, ohne dabei dem verbreiteten dümmlichen “Anti-Blocher-Reflex” zu verfallen. Ich habe beides mit Vergnügen und Erkenntnisgewinn gelesen. So wünschte ich mir die Auseinandersetzung auch anderswo: freier Meinungsaustausch ohne ideologische Scheuklappen.

Felix Feigenwinter, Basel

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RESIGNATION WEICHT NEUEM OPTIMISMUS

Leserbrief von Felix Feigenwinter, erschienen am 3. Juli 2015 in der „Basler Zeitung“ als Kommentar zur Wahl des neuen Direktors des Kunstmuseums Basel:

Als bewundernder Besucher des Kunstmuseums seit meinen Jugendjahren wiegte ich mich Jahrzehnte lang im Glauben, Basel erfreue sich einer weltweit einzigartigen Kunstsammlung. Dass manche der hier versammelten Schätze aus 700 Jahren europäischer Kunstgeschichte im Besitz von privaten Stiftungen sind, etwa die hochkarätigen Leihgaben aus der Rudolf-Staechelin-Sammlung, beeinträchtigte meine Begeisterung nicht.

Doch dann die ernüchternde Meldung, dass ausgerechnet die repräsentativsten Bilder der impressionistischen und nachimpressionistischen Meister aus dem Museumsangebot verschwinden sollen, weil der Staechelin-Family Trust über sein Eigentum anders verfügen will… Ein Schock für viele Kunstliebhaber, wie mir Gespräche mit anderen Museumsbesuchern bestätigten, die zum Teil gar unverhohlene Wut über den vermuteten fehlenden Einsatz der (des) politisch Verantwortlichen ausdrückten… Aber nun dies: Die Wahl des hochgelobten  neuen Museumsdirektors Josef Helfenstein (nomen omen est?) lässt wieder hoffen. Da kann sich auch der als Kulturminister umstrittene Guy Morin in neuem Glanz sonnen.

Felix Feigenwinter, Basel

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POSTUME ANERKENNUNG DER MALERIN ADELHEID DUVANEL

Leserbrief von Felix Feigenwinter,  erschienen am 3. Juni 2016 in der bz / nordwestschweiz, betr.  Artikel von Martina Kuoni  „Wenn der Alltag zum Ungeheuer wird“  in der  „Basellandschaftlichen Zeitung“  vom 21. Mai 2016.

Martina Kuoni sei gedankt für ihr aufmerksames und subtiles Gedenken anlässlich des 80. Geburtstags der in Pratteln und Liestal aufgewachsenen Basler Luchterhand-Autorin Adelheid Duvanel (1936-1996). Ergänzend sei daran erinnert, dass die ebenso aussenseiterische wie bemerkenswerte Schriftstellerin zuerst im Ausland etablierte Anerkennung fand (1984 mit dem Kranichsteiner Literaturpreis), bevor sie in ihrem Heimatland entsprechend geehrt wurde (1987 mit dem Basler Literaturpreis, 1988 mit dem Gesamtwerkspreis der Schweizer Schillerstiftung und 1995 mit dem Gastpreis der Stadt Bern). In seinen Büchern «Die tintenblauen Eidgenossen» (2001) und «Das Kalb vor der Gotthardpost» (2012) reflektierte der Literaturprofessor Peter von Matt postum über die eigenwilligen Geschichten dieser besonderen Repräsentantin der Schweizer Literatur aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Als Malerin fand Adelheid Duvanel erst nach ihrem Tod öffentliche Beachtung, zuerst 1997 in einer Gedenkausstellung im Kunstmuseum Solothurn im Rahmen der damaligen Literaturtage, später dann 2009 in der Ausstellung «WÄNDE dünn WIE HAUT», einer umfassenden Präsentation des zeichnerischen und malerischen Werks der Künstlerin im «Museum im Lagerhaus» in St. Gallen, wo die Museumsleiterin Dr. Monika Jagfeld das in Basel ignorierte Werk kompetent analysierte.

Felix Feigenwinter, Basel

Ausstellungskatalog “Wände, dünn wie Haut” des Museums im Lagerhaus, St. Gallen, mit Bildern und Texten der Malerin und Schriftstellerin Adelheid Duvanel-Feigenwinter und einer umfassenden und fundierten Analyse von Kuratorin Dr. Monika Jagfeld (Sonderausstellung 2009):

https://unterricht.phwa.ch/wp-content/uploads/2017/07/Duvanel-Bilder-und-Texte.pdf

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DESIGN  UND GAGS STATT INHALT

Leserbrief von Felix Feigenwinter, erschienen in der “Basler Zeitung” am 18. Januar 2016 als Reaktion auf den Artikel “Tod der Arena”  in der BaZ  vom 9.1.16:

Den Zuschauerschwund der TV-“Arena” mangelnder rhetorischer Brillanz des gelegentlichen Gastes Bundesrat Schneider-Ammann zuzuschreiben, lenkt von den wirklichen Gründen ab. Die einst populäre, politisch prägende “Arena” krankt eher an einem verunglückten neuen Konzept: dass zum Beispiel das Publikum in dieser früher vielbeachteten Fernsehsendung am Freitagabend nur noch als schemenhafte Staffage eingesetzt wird; schattenhaft, gesichtslos, fahl, auch absolut stumm schwebt es gespenstisch im dunklen Hintergrund (inzwischen leicht abgemildert). Das wirkt wie ein Affront gegen die Idee der direkten Demokratie, in der das Volk, die Stimmbürger, und nicht deren Beauftragte, die gewählten Politiker, sowie Experten (und schon gar nicht ein Fernsehmoderator) das letzte Wort erhalten sollten. Störend sodann die zuweilen läppischen Gags als seichte Unterhaltungseinlagen, die vor allem der Profilierung des Moderators dienen, aber einen flüssigen und vertieften Meinungsaustausch verhindern. Kurzum, Design und Gags dominieren zu sehr, schwächen die substanzielle Strahlkraft der “Arena”.

Felix Feigenwinter, Basel

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REGIMEHÖRIG UND DEMOKRATIEPHOBISCH

Leserbrief von Felix Feigenwinter, erschienen in der “Basler Zeitung” am 8. Juli 2016  als Reaktion auf den Artikel “Die permanente Revolution bürgerlicher Art” in der BaZ vom 5.7.16:

Mit dem Beispiel des Spiegel-Leitartikels zum Brexit belegt Erik Ebneter den Wandel des einst als besonders obrigkeitskritisches und unbestechliches «Sturmgeschütz der Demokratie» berühmten deutschen Nachrichtenmagazins zum (EU-)regimehörigen, demokratiephobischen Blatt. Ironie der Geschichte: Der Spiegel entstand nach dem zweiten Weltkrieg auf Initiative britischer Armeeangehöriger, die im besetzten Deutschland nach dem Vorbild der englischen Zeitschrift New Review ein Presseorgan für Meinungsfreiheit schaffen wollten, um «die besiegten Deutschen für die menschliche Kultur zurückzugewinnen». Der damit beauftragte Rudolf Augstein, verdienstvoller Gründer, langjähriger Herausgeber und Chefredaktor, schrieb im Rückblick über das von ihm beharrlich befolgte journalistische Ethos: «Eisern blieb der Grundsatz, vor keiner Autorität, nicht einmal vor einer befreundeten, zu kuschen.» Dieses Feuer, dieser britisch-demokratische Widerstandsgeist prägte die Arbeit in der Spiegel-Redaktion jahrzehntelang, scheint aber die Jahrhundertwende nicht überdauert zu haben.

Felix Feigenwinter, Basel

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Kein Friede ohne Demokratie   

Kommentar von Felix Feigenwinter betreffend Helmut Hubachers Kolumne „Wären wir ohne EU besser dran?“ in der „Basler Zeitung” vom 9. Juli 2016:

Kriege werden meist von Diktatoren angezettelt, nicht von Demokratien.  Der Glaube an eine friedenssichernde EU, mit ihren heute eklatanten Demokratiedefiziten und dem offen zugegebenen Demokratieargwohn seiner reformunwilligen Exponenten, sollte den Blick auf den aktuellen Zustand dieses bürokratischen Konstrukts nicht verschleiern. (Friedenssichernd war übrigens primär die NATO!)  Bemerkenswert, wenn ausgerechnet Sozialdemokraten (die doch für soziale Sicherheit kämpften) Warnungen wie die von Baberowski ignorieren:
«Der Sozialstaat kann nicht überleben, wenn die ganze Welt eingeladen ist, sich zu nehmen, was andere hart erarbeitert haben. Die nationalstaatliche Souveränität ist ein kostbares Gut, das die Freiheit sichert.»
Statt die Gefährdung der in Jahrzehnten geschaffenen gut funktionierenden Sozialwerke zu verhindern,  wird die EU-betriebene Zersetzung demokratisch-föderalistischer Strukturen und nationaler kultureller Identitäten hingenommen. Müsste ein Europäer, der in einer direkten Demokratie basisdemokratisch sozialisiert wurde, der Entwicklung zu einem  in Brüssel zentralverwalteten (und von Berlin aus diktierten?) europäischen Einheitsstaat nicht wache Skepsis statt blauäugiges Wohlwollen entgegenbringen?

Felix Feigenwinter, Basel

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Sprach die Kaiserin von Europa?

Leserbrief von Felix Feigenwinter, erschienen in der “Basler Zeitung” am 28. Juli 2016,   als Reaktion auf  die Kolumne von Regula Stämpfli “Wir schaffen das, oder?” in der BaZ vom 26.7.16:

Regula Stämpflis Generalabrechnung mit Angela Merkels alternativloser “Wir schaffen das”-Politik beeindruckt; sogar der SP-Vize-Kanzler Gabriel  kriegt sein Fett weg. Die Beurteilung, der Satz “Wir schaffen das!” hebe sich von den sonst sinnentleerten Worthülsen der CDU-Kanzlerin erstaunlich deutlich ab, ist besonders brisant.

Aber wie eindeutig ist dieses “Wir”? Wer ist damit gemeint? Die deutsche Bundeskanzlerin schloss in letzter Konsequenz (demokratisch nicht legitimiert!) alle von ihrer Politik betroffenen Europäer mit ein (letztlich auch die Nicht-EU-Schweizer…). Sprach da die Kaiserin von Europa?

Zu bedenken gilt, dass Angela Merkel in einer kommunistischen Diktatur sozialisiert worden ist. Als Widerstandskämpferin gegen das DDR-Regime vor dem Mauerfall ist die Pfarrerstochter und junge Physikerin aus Templin nie aufgefallen (um es milde zu formulieren). Offenbar verloren sich ihre herkunftsbedingten Wir-Vorstellungen nach aufgezwungener Auflösung der DDR-Identität ins Grenzenlose.

Felix Feigenwinter, Basel

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Relief Sebastian Castellio

Ein in der Humanistenstadt verkannter Humanist  

Leserbrief von Felix Feigenwinter, erschienen in der „Basler Zeitung“ am 8. November 2016 unter dem Titel “Ehre auch von offizieller Seite”, als Reaktion auf den Artikel „Im Namen religiöser Toleranz“ in der BaZ vom 4.11.16:

Die längst fällige Rehabilitierung des während seines Lebens und Wirkens in Basel diffamierten, verfolgten und auch nach seinem Tod Jahrhunderte lang fahrlässig bis vorsätzlich missachteten Humanisten Sebastian Castellio ist der privaten Initiative einiger engagierter Idealisten und Gönner zu verdanken. Es wäre an der Zeit, dass sich nun endlich auch das „offizielle Basel“ (die Regierung, die Universität, die Denkmalpflege der Humanistenstadt) um ein angemessenes würdiges Andenken bemüht, sei es durch die Wiederherstellung der aus dem Kreuzgang des Münsters entfernten Grabtafel oder zum Beispiel die Namensgebung eines Universitätsinstituts.
Castellios Botschaft ist auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts von brennender Aktualität – in einer Zeit, in welcher mörderische Bedrohung von Ungläubigen sowie Verfolgung/Kriminalisierung von Meinungsgegnern wieder toleriert und der Protest gegen den Religionsterror als Intoleranz desavouiert wird.

Felix Feigenwinter, Basel

Betreffend Castellio-Rehabilitierung: Schreiben von Felix Feigenwinter an Herrn Dr. Bernhard Vischer, Stansstad:

Lieber, sehr geehrter Herr Dr. Vischer,

nachdem wir – meine Frau und ich – die von Ihnen initiierte und mitgestiftete Castellio-Tafel bei der St. Alban-Kirche in privater Stille und Andacht besichtigt und bewundert haben, möchte ich es nicht versäumen, Ihnen dafür etwas verspätet, aber umso herzlicher zu danken und zu gratulieren. Diese gediegene, bemerkenswert geschmackvoll gestaltete und plazierte Gedenktafel gehört nun zu Basels wertvollsten, geradezu okkulten Stätten, wunderbar eingebettet in eine atmosphärisch stimmige und nostalgisch stimmende Umgebung. Alte Basler Stifterkultur. Wir werden dort öfter hingehen.
Mit einem schönen Gruss aus Basel
Felix Feigenwinter                                                                  13.11.2016

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Stimmbürger sind keine Untertanen

Leserbrief von Felix Feigenwinter, erschienen in der “Basellandschaftlichen Zeitung” am 1. Dezember 2016, betreffend Kolumne von Roger Blum “Der Souverän, dem viele misstrauen” in der  bz nordwestschweiz vom 29.11.2016:

Wen erstaunt’s, dass der vom deutschen Bundespräsidenten Gauck wiederholt geäusserte Argwohn gegen Volksentscheide auf nationaler Ebene im Land der direkten Demokratie auf verwundertes Kopfschütteln stösst! Für basisdemokratisch sozialisierte Schweizer ist das “Regieren von unten nach oben” Normalität, gehört zum hiesigen Demokratieverständnis. Die vom Staatsoberhaupt eines benachbarten EU-Landes bekundete Stimmvolkphobie offenbart eine verdächtige Obrigkeitsmentalität. Vielleicht ist es u.a. damit zu erklären, dass Gauck (wie übrigens auch die Bundeskanzlerin Merkel) in einer kommunistischen Diktatur aufgewachsen ist, wo Obrigkeitsdenken, regimeverordnet, zum Erziehungsprogramm gehörte, verinnerlicht wurde und nun auch nichtdeutschen Ländern zugemutet wird?

Felix Feigenwinter, Basel

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Somm im Rückwärtsgang

Leserbrief von Felix Feigenwinter, erschienen in der „Basler Zeitung“ am 13. Juni 2017, als Reaktion auf den Kommentar von Chefredaktor Markus Somm in der „BaZ“ vom 10.6.2017 zu den Neuwahlen in Grossbritannien:

Theresa Mays Verhandlungsmandat für den Brexit ist trotz Wahlverlusten weiterhin demokratisch legitimiert, obwohl sich Jeremy Corbyn als Sieger aufspielt. Markus Somm sollte das eigentlich wissen statt im Nachhinein zurückzukrebsen und die Entscheidung für Neuwahlen vom Ergebnis her delegitimieren zu wollen. Oder meint er vielleicht, die Corbyn-Wähler hätten recht gehabt?
„Brexit heisst Brexit“ war und bleibt ein starkes demokratisches Statement gegenüber den diktatorischen Allüren der EU.
Gefallen hat mir dafür Somms witzige Schilderung der Testosteron-Reaktion der Brüsseler Bosse.

Felix Feigenwinter, Basel

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Der Wahn vom Weltparadies

Leserbrief von Felix Feigenwinter, erschienen in der “Basler Zeitung” am 22. Juli 2017, als Reaktion auf das Interview mit dem ex-Juso-Präsidenten und SP-Nationalrat Cédric Wermuth “Ich will alles nach links verschieben” in der BaZ vom 20.7.17:

Cédric Wermuth träumt von linker Globalisierung, von der Abschaffung der Nationalstaaten, von der Errichtung eines Weltstaates. Seine Wähler aus dem Kanton Aargau, denen er sein Mandat im Nationalrat verdankt, würden sich wohl wundern, wenn ihre Schweizer Renten dereinst durch globalisierte Einheitsrenten ersetzt würden. Als zynisch und geschmacklos empfinde ich die Bewirtschaftung der Bilanz der Ertrunkenen im Mittelmeer; die Probleme der Demographie bleiben tabuisiert. Die Illusion von der Aufhebung aller Grenzen endet bei Wermuth allerdings bei den Finanzmärkten, deren Vertreter für ihn die einzigen Kriminellen zu sein scheinen, die er kennt.

Felix Feigenwinter, Basel

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Basel tickt anders

Leserbrief von Felix Feigenwinter, erschienen in der “Basler Zeitung” am 17. April 2018, betreffend “Ewige Rivalen” von Markus Somm in der BaZ v. 14.4.18:

Markus Somms auch historisch interessante Mentalitätsanalyse über die Stadt am Rheinknie und deren Rivalitätsverhältnis zur Limmatstadt lässt sich mit Einschätzungen anderer nichtbaslerischer Baselkenner trefflich bestätigen und ergänzen:
Der langjährige Direktor des Kunstmuseums Basel, Bernhard Mendes Bürgi, ein Ostschweizer, reflektierte vor seiner Pensionierung: “Ich hatte den Eindruck, dass Basel im Vergleich England ist und Zürich Amerika. Zürcher sind unkomplizierte Macher. Wenn sie Erfolg haben, zeigen sie es unverblümt – was man in Basel nicht tut.”
Und Kardinal Kurt Koch, ein Luzerner, früher Bischof von Basel, meinte einst ironisch: “Die Basler müssen immer erst eine Larve anziehen, um ihre Masken ablegen zu können.”

Felix Feigenwinter, Basel

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Anmerkung: Ein Tag nach Veröffentlichung des obigen Leserbriefes in der Basler Zeitung erschien in der Neuen Zürcher Zeitung am 18. April 2018 ein Interview mit der Basler Regierungspräsidentin Elisabeth Ackermann, in welchem diese auf die Frage “Wo liegen die Unterschiede der beiden Städte?”  antwortete: “Es sind gewisse Mentalitätsunterschiede auszumachen. In Basel macht man oft auf Understatement, in Zürich zeigt man eher, was man hat und kann.” Und auf die Frage “Was kann Zürich von Basel lernen?” meinte Frau Ackermann: “Eine Portion Selbstironie”. Diese komme am Zürcher Sechseläuten im Vergleich zur Basler Fasnacht schon etwas zu kurz. – In einem Kommentar fragt David Sieber in der Schweiz am Wochenende vom 21. April 2018: “Ist es eine Beleidigung oder ein Kompliment, wenn Christoph Blocher Basel als eine ‘eigene Region, die nicht schweizerisch sein will’ bezeichnet? Er sagte das am Mittwoch an der Pressekonferenz zum Verkauf der Basler Zeitung  an Tamedia. Dies als Begründung, weshalb er die Zeitung nicht auf der nationalen Bühne verankern konnte. Blocher wirkte dabei resigniert. Verstärkt wurde dieser Eindruck durch sein Eingeständnis vor versammelter BaZ-Redaktion, es sei wohl ein Fehler gewesen, die Zeitung zu übernehmen. Blocher wurde nie warm in Basel. Das liess er immer wieder mal durchblicken. Weil die Region tatsächlich nicht seinem Schweiz-Bild entspricht.”

Droht Informations- und Meinungseinfalt?

Leserbrief von Felix Feigenwinter betreffend Kolumne von Roland Stark „Eintopf nährt nicht immer“ in der „Basler Zeitung“ vom 19. Juli 2018. Der Leserbrief erschien in der “BaZ” vom 24. Juli 2018:

Kolumnist Roland Stark, ein „Linker“, befürchtet im Hinblick auf die Übernahme der „BaZ“ durch Tamedia den Verlust der Informationsvielfalt. Ich teile sein Unbehagen. Als Leser und Freund demokratischer Debatten frage ich mich: Wo kann ich in Zukunft die unverwechselbar eigenständigen, sowohl intellektuell anspruchsvollen als auch vergnüglichen (weil herz- und geisterfrischend witzigen), auch zum politischen Widerspruch anregenden Wochenkommentare von (ab Herbst leider nicht mehr) Chefredaktor Markus Somm lesen? Wo finde ich im gleichgeschalteten Eintopf andere kritische, informative und uneingeschüchterte Texte, zum Beispiel von David Klein? Und: fallen weitere „nicht konforme“ Stimmen der Zensur zum Opfer, was der reihenweise Auszug bester Mitarbeiter nahelegt?
Andere „Linke“ bejubelten die Übernahme der letzten einstigen Stadtbasler Tageszeitung durch das Medienunternehmen aus Zürich – nachdem sie die mit vielfältigen Kolumnen und Repliken debattierfreudige Somm-„BaZ“ mit der Boykott-Aktion „Rettet Basel“ einfältig bekämpft hatten. Was für ein Pyrrhussieg!

Felix Feigenwinter, Basel

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Fröhliche Tage mit “Räbeli”

Leserbrief von Felix Feigenwinter betreffend: Belästigung durch Tauben und Krähen in Wohnquartieren, BaZ diverse; Eines Tages werden uns die Vögel fehlen; BaZ 7.8.18. Dieser Leserbrief erschien in der “Basler Zeitung” vom 16. August 2018:

Zur Abwechslung ein eher unpolitischer Beitrag mit subjektivem Erfahrungsgehalt zur Diskussion über “Lärm und Dreck von Tauben und Krähen”:

Auch ich fand das Krähengekrächz nicht besonders attraktiv, bis ich letztes Jahr eine junge Rabenkrähe persönlich kennenlernen durfte. Während drei Monaten besuchte, überraschte und erfreute uns dieser Vogel täglich mit kindlicher Anhänglichkeit, nachdem er im August vor einer Katze auf unsere Terrasse geflüchtet war und sich bei uns schnell heimisch fühlte. “Räbeli”, so nannten wir den geflügelten Boten aus einer anderen Welt, kannte bald alle Hauseingänge, wartete an der Bushaltestelle auf uns (wollte auch mit in den Bus), begleitete uns auf der Schulter sitzend zum Quartierlädeli und ins Gartencafé, zog Scheine aus dem Portemonnaie und erheiterte auch andere mit allerlei Schabernack. An einem nasskalten, nebligen Novembertag blieb “Räbeli” dann plötzlich verschwunden. Seither vermissen wir sein morgendliches Begrüssungsgekrächz.

Felix Feigenwinter, Basel

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Ungemütlicher Centralbahnplatz

Leserbrief von Felix Feigenwinter betreffend Sanierung des Basler Centralbahnplatzes (BaZ diverse), erschienen in der “Basler Zeitung” vom 18. August 2018:

Im Volksmund heisst der Centralbahnplatz auch “Rentnervernichtungsplatz”. Will sagen: Fussgänger müssen vor den ÖV-Vehikeln aus allen Richtungen um ihr Leben springen, ohne den Schutz von Fussgängerstreifen beanspruchen zu können. Nicht nur Rentner, auch Schüler, Studenten, junge und ältere Erwerbstätige, Touristen, Familien mit kleinen Kindern undsoweiter sind von der chaotischen Verkehrssituation täglich betroffen. Eine gefährliche, aber nicht die einzige Schwachstelle auf diesem “Wimmelplatz”: Die ersatzlose Beseitigung des einstigen Kiosks mögen viele von diesem “Luxus” Entwöhnten inzwischen verschmerzt haben. Ein anderes Thema wäre der Mangel an Sitzgelegenheiten für die Tram-Fahrgäste, belastend vor allem für Stehbehinderte. Und schliesslich: Bei aller Schwärmerei für die sogenannte Ästhetik der Traminseldächer – im Ernstfall sind sie unzweckmässig: Bei Wind und Regen wird man darunter unsanft geduscht. – Ob die fürs Frühjahr 2019 geplante Sanierung alle diese Mängel beheben kann oder soll? Benützerfreundliche Lösungen wären gefragt.

Felix Feigenwinter, Basel

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Basel wird zugeriegelt

Leserbrief von Felix Feigenwinter, erschienen in der “Basler Zeitung” vom 21. September 2018, betreffend Artikel “Ein düsterer Koloss” in der BaZ vom 19.9.18.

Nun haben also auch die Grossbasler im Gundeli ihren “Riegel”, nachdem sich die Kleinbasler im Gebiet Greifengasse-Claraplatz-Clarastrasse-Rosentalstrasse schon seit Jahren wegen des Mustermesse-Neubaus “zugeriegelt” fühlen. Der graue Koloss hinter dem Bahnhof SBB/SNCF ist ein weiteres Ausrufezeichen der Architekten Herzog & de Meuron, die das Basler Ortsbild im Süden und im Norden, im Osten und im Westen Aufsehen (sowie Ärger) erregend neu prägen. Ob solche Bauten als Ausdruck einer Zeitenwende zu Beginn eines neuen Jahrtausends in Zukunft ebenso jene Wertschätzung und lange Lebensdauer finden wie die bewunderten traditionellen Baudenkmäler der Stadt? Das darf bezeifelt werden.

Felix Feigenwinter, Basel

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Abschottung statt Meinungsaustausch

Leserbrief von Felix Feigenwinter, erschienen am 15. Oktober 2018 in der “Basler Zeitung”, betreffend: Studierendenrat will “Weltwoche” aus der Universität verbannen; BaZ diverse:

Wie kommt es, dass Vertreter heutiger Jugend in akademischer Ausbildung – quasi die zukünftige Elite unserer Gesellschaft – keine Vorstellung von demokratischen Grundregeln mehr haben? Welch geistiges Armutszeugnis, dieser diktatorische Boykottversuch in den Gefilden der Uni Basel, in einem demokratischen Land, dieser Wille zur geistigen Abschottung, zur Unterdrückung von Meinungsvielfalt, diese Angst vor intellektueller Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Meinungen! Ausgerechnet in Basel, wo der “BaZ”-Boykott (“Rettet Basel”) den Bevormundungsbedarf doch schon gedeckt haben sollte…
Kann es sein, dass hier Studierende am Werk sind, die in den Grundschulen von ideologisch festgefahrenen Lehrern zu antidemokratischem Einheitsdenken indoktriniert worden sind?

Felix Feigenwinter, Basel

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Migrationspakt unter der Lupe

Leserbrief von Felix Feigenwinter, erschienen am 5. Dezember 2018 in der “Basler Zeitung”, betreffend “Druck der Populisten nachgegeben” von  Rita Schiavi in der “BaZ” vom 26. 11.18:

Der UNO-Migrationspakt halte fest, dass die Staaten ihre Migrationspolitik selber bestimmen, schreibt Rita Schiavi. Der betreffende Satz im UNO-Text täuscht. Er widerspricht dem übrigen Inhalt des Paktes und wirkt wie ein nachträglich eingefügter Beschwichtigungsversuch. Was klar dominiert, ist die lange Latte von Verpflichtungen, die die Regierungen bestätigen sollen – so die Zumutung, kritische Medienberichte über die Migration zu unterbinden (d.h. Medienzensur, Unterdrückung von Meinungsfreiheit!). Auch die geforderten Migrationsrechte gehören unter die Lupe, wie bedingungslose Sozialleistungen. Befürchtungen, bestehende Sozialnetze würden überfordert und beschädigt, sogar zerstört, als “rechtspopulistisch” abzutun, ist billig.
Schönredner beruhigen, der UNO-Migrationspakt sei ja nicht rechtsverbindlich. Unverbindliche Verpflichtungen? Ausgerechnet nur die Behauptung, die Entscheidungsautonomie der Länder bleibe gewahrt, soll verbindlich sein? Mit bizarrer Logik und Augenwischerei wird der Pakt voller Tücken als schmackhaft serviert. Wacher Argwohn und demokratische Debatten sind vonnöten.

Felix Feigenwinter, Basel

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Undemokratische UNO-Staaten

Leserbrief von Felix Feigenwinter, erschienen am 12. Dezember 2018 in der “Basler Zeitung”, betreffend “An Volk und Parlament vorbei” in der “BaZ” vom 11.12.18:

Globalisierung contra Demokratie – ein schwieriges Thema. Wie Silvio Borner aufzeigt, unterminieren fragwürdige internationale Interessen und bürokratische Verfahren die nationalen Parlamente und das Recht des Stimmvolks in einer direkten Demokratie wie der Schweiz. Der Bundesrat war deshalb gut beraten, den UNO-Migrationspakt nicht sofort zu unterschreiben, sondern das undurchsichtige Papier dem Licht der demokratischen Überprüfung auszusetzen. Das Unverständnis undemokratischer UNO-Staaten und -Funktionäre ist kein Grund, unsere eigene Demokratie zu missachten.

Felix Feigenwinter, Basel

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Sozialwerke könnten nicht überleben

Leserbrief von Felix Feigenwinter, erschienen am 24. Dezember 2018 in der “Basler Zeitung”, betreffend “Die Sehnsucht nach Zuwanderung” in der “BaZ” vom 20.12.18:

Zu einer verantwortungsvollen Migrationspolitik gehört auch die realistische Einschätzung der Folgen einer unbegrenzten Zuwanderung mit leichtem Zugang zu Sozialleistungen, wie UNO-Richtlinien es vorsehen.
Die Schweizer Sozialwerke sind nicht zufällig ein Erfolg. Sie wurden von klugen Politikern und Stimmbürgern nicht nach dem Giesskannenprinzip, sondern mit Augenmass konzipiert; ein ausgeklügeltes System, das ein reifes Staats- und Selbstverständnis ausdrückt, in dem der Staat weder als feindliche Macht noch als Selbstbedienungsladen begriffen wird und sowohl der Selbstverantwortung als auch dem Solidaritätsgedanken verpflichtet ist. Diese zivilisatorische Errungenschaft gerät im Sog global forcierter Masseneinwanderung unter Druck, was auch von liberalen Wirtschaftspropheten nicht vorausgesehen wurde. Wie viel Zuwanderung verträgt das Land? Diese Frage darf kein Tabu sein. Nicht ohne Grund warnt der Historiker und Gewaltforscher Jörg Baberowski: “Der Sozialstaat kann nicht überleben, wenn die ganze Welt eingeladen ist, sich zu nehmen, was andere hart erarbeitet haben. Die nationalstaatliche Souveränität ist ein kostbares Gut, das die Freiheit sichert.”

Felix Feigenwinter, Basel

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Leserbrief von Felix Feigenwinter, erschienen am 16. Oktober 2019 in der “Basler Zeitung”,  betreffend “Pfarrerin reicht Strafanzeige ein” in der BaZ vom 12. 10.19:

Seit wann sind Menschenrechte “rechtsextrem”?

Nicht die Meinungsäusserungern von Pfarrerin Christine Dietrich sind extrem, sondern deren Bespitzelung zwecks Denunziation als angeblich “Rechtsradikale” ist es. Frau Dietrich hat sich in ihrer Islamkritik für Menschenrechte eingesetzt – seit wann ist das Engagement für Frauenrechte, Meinungsfreiheit, Aufklärung über Christenverfolgung etc. “rechtsextrem”?
Da man einer inquisitorischen Kampagne mit demokratischen Argumenten nicht beikommt und Gegendarstellungen die Urheber nicht zur Besinnung bringen, bleibt zu hoffen, dass ein Gericht die Angriffe auf die Person und Ehre von Frau Dietrich zurückweist und die Angreifer in die Schranken weist.
Felix Feigenwinter, Basel
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Leserbrief von Felix Feigenwinter, erschienen am 17. Januar 2020 in der „Basler Zeitung“, betreffend „Die christliche Kernbotschaft wird ausgeblendet“ in der BaZ vom 7.1.2020:

Entschuldigung bei wem bitte?

Gut, dass auch Nationalrat Christoph Eymann, ein etablierter Politiker, zur Hetzkampagne gegen  Christine Dietrich kritische  Worte findet, wobei die ganze Perfidie des Kesseltreibens noch darüber hinaus geht. Rätselhaft bleibt nämlich, warum (wofür und bei wem?!) die gemobbte Pfarrerin sich entschuldigen sollte. Gewiss, die Hexe hat widerrufen –  nachdem man ihr die Folterinstrumente zeigte. Offenbar reichte das den Inquisitoren aber nicht.

Felix Feigenwinter, Basel

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Online-Kommentar von Felix Feigenwinter zu einem BaZ-Artikel betreffend die Hetzkampagne gegen die Pfarrerin Christine Dietrich (28.2.20):
Religionskritik gehört zu den Errungenschaften der Aufklärung. Wer will einer protestantischen Pfarrerin verwehren, von diesem demokratischen Recht Gebrauch zu machen?
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Biographische Notizen / Reflexionen / “Warum schreibe ich Geschichten?” /  “Meine Schwester Adelheid” / Die Familie Lichtenhahn meiner Mutter /   Erlebnisse mit einer Rabenkrähe / literarische Texte: http://felixfeigenwinter.wordpress.com

Aus einem schreibintensiven Leben (Sammlung journalistischer und literarischer Texte von F.F.):  http://feigenwinterfelix.npage.de

DIE FAMILIE LICHTENHAHN AUS BASEL – Geschichte einer Stadtbasler Sippe (Väterliche Herkunftsfamilie von Elisabeth Feigenwinter-Lichtenhahn, Mutter des Journalisten Felix Feigenwinter und der Schriftstellerin Adelheid Duvanel-Feigenwinter): https://familielichtenhahn.hpage.com/

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Unten: F.F. im Garten des Restaurants Au Violon in Basel

Felix Basel im Violon 2007

Während rund fünfzig Jahren schrieb Felix Feigenwinter Geschichten, neben seinen hauptberuflichen Beschäftigungen als Journalist und Redaktor, als Museumsangestellter, später als Sozialversicherungsbeamter und zuletzt als selbständiger Buchverleger. Die Geschichten sind geprägt von einer melancholischen Menschen- und Welt- beziehungsweise Alltagsbetrachtung. Im Mittelpunkt stehen Einzelgänger männlichen und weiblichen Geschlechts, manchmal Psychiatriepatienten, deren Befindlichkeiten und individualistisch-subversive Haltungen geschildert werden, und ihre Verstrickungen in skurrile, zuweilen groteske Geschehnisse.

Mein Wirken als Journalist unterschied sich von jenem als Schriftsteller wesentlich: Hatte ich als Journalist vor allem über das öffentliche Leben zu berichten und Prominente zu interviewen, also die “offizielle Wirklichkeit” darzustellen – notfalls auch kritisch zu hinterfragen, das freilich schon – , so (unter)suchte ich als freier, nur mir selber Rechenschaft schuldiger Geschichtenschreiber Verborgenes und unterwanderte konventionelle Grenzen. Statt “Offizielles” zur Geltung zu bringen, versenkte ich mich als Autor in seelische Abgründe, in individuelle Befindlichkeiten scheinbar gewöhnlicher Privatmenschen, mit Vorliebe für Aussenseiter und Sonderlinge. Dabei erschuf ich Imaginäres – eine kreative Herausforderung, die dem strikt realitätsbezogenen Journalismus fremd ist. – Meine Intention, mich Sonderlingen zuzuwenden, sie als Individuen zu erfassen und zu würdigen, gründete in einer philosophischen, sozusagen anthropologischen Betrachtungsweise. – Den Wert des Individuums suche und sehe ich jenseits opportunistischer Bewertungsklischees. F.F.

GESCHICHTEN VON SONDERLINGEN:

http://feigenwinter.wordpress.com

GESCHICHTEN VOM TOTENTANZ:

http://felixfeigenwinterautor.wordpress.com

SKURRILE GESCHICHTEN:

https://feigenwintergeschichten.wordpress.com/

KRIMINALGESCHICHTEN:

http://feigenwinterkriminalstories.wordpress.com

ERZÄHLUNG Schwelle zum Paradies:

http://schwellezumparadies.wordpress.com

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SATIRISCHE BETRACHTUNGEN:  http://felixfeigenwintersatiren.wordpress.com

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WITZIGE ANTWORT 

E-Mail-Kommunikation zwischen zwei Schreibern aus dem selben Geburtsjahr (1939):

Gesendet: Samstag, 17. Dezember 2016 13:08
An: Prof. Francois Fricker *
Betreff: Dein Text in der heutigen Basler Zeitung

Lieber François,

Welche Überraschung: François Fricker als Analytiker amerikanischer Wahlregeln! Wird da  die Karriere eines neuen  hochkarätigen aussenpolitischen  BaZ-Journalisten lanciert?… Dass ich Deinen offenbar auch mathematisch inspirierten  Gedanken nur beschränkt folgen kann, scheint mir nur logisch; als Gelegenheitsschreiber von Leserbriefen befinde ich mich längst auf dem Rückzug. In diesem Zusammenhang wiederhole ich  meine schon früher formulierte Feststellung:

In der Zeitspanne, während Du Dich verjüngtest, wurde aus mir ein gefühlter Greis.

Mit grosser Bewunderung und einem herzlichen Gruss

Felix Feigenwinter

Lieber Felix,

irgendwie bist Du mir mit Deiner Post zuvorkommen, wollte ich Dir doch schon lange meine Freude über unsere vergangene Zusammenkunft ausdrücken und hoffen, dass sich so etwas gelegentlich wiederholen wird.

Und was Deine schmeichelhafte Bemerkung betrifft, so nehme ich diese mit Vergnügen entgegen. Aber ich gebe mir grosse Mühe, mich nicht weiter zu verjüngen, damit Du Dich nicht noch weiter vergreist fühlst.

In diesem Sinne und mit einem herzlichen Gruss,

François

  • *Professor François Fricker  (Jahrgang 1939) war in jungen Jahren Lehrer am Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Gymnasium (MNG) in Basel, später – während 30 Jahren ( von 1973 bis 2003) –  Professor für Mathematik an der Justus-Liebig-Universität in Giessen. Für Schweizer Zeitungen schrieb er viele kulturhistorische Texte. In seinem Wohnort Basel kennt man ihn auch als Zauberkünstler.

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„Délai de grâce“

Beglückende Überraschung anfangs März 2018 dank einer Postsendung aus Frankreich: Die Übersetzerin Catherine Fagnot aus Nancy schickt mir das soeben von der belgischen Edition Vies Parallèles, Brüssel, herausgegebene Buch „Délai de grâce“ mit von Frau Fagnot in die französische Sprache übersetzten Texten meiner Schwester Adelheid Duvanel, eine Geschichtensammlung, die 1991 unter dem Titel „Gnadenfrist“ bei Luchterhand, Frankfurt am Main, in der deutschen Originalfassung erschienen ist und nun, 27 Jahre später,  im französischen Sprachraum veröffentlicht wird. Grund zur Freude und Dankbarkeit!

Liebe Frau Fagnot,

welch‘ schönes Erlebnis, als ich in meinem Postfach das Paket aus Nancy vorfand und Ihren freundlichen Brief und das neue Buch mit Adelheid Duvanels „Gnadenfrist“-Texten in französischer Sprache in Händen halten durfte! Für mich überraschend, wie schnell dieses Projekt nun verwirklicht werden konnte. Glücklicherweise konnten die Fragen betreffend das Copyright offenbar geklärt werden, was mich natürlich ebenfalls freut.

Für die Zusendung dieser wunderbaren Gabe danke ich Ihnen sehr, ebenso für Ihre nach meiner Einschätzung äusserst kompetente, einfühlsame Übersetzung der einundvierzig Kurzgeschichten meiner Schwester. Auch Cover und Format gefallen mir, die gesamte grafische Gestaltung ist exzellent. Ein gediegenes Buch, ein Gesamtkunstwerk!

Meine Freude über Ihr Geschenk überstrahlt momentan meine Bedrängnis wegen meiner gesundheitlichen Schwierigkeiten (Operation, zermürbende Untersuchungen, endlos scheinende Therapien); auch dafür bin ich Ihnen dankbar.

Mit einem herzlichen Gruss aus Basel

Felix Feigenwinter, 5. März 2018

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Frühlingserwachen

Am 18. April 2018 Antwort an einen Bekannten, nachdem dieser per e-mail meinen in der “Basler Zeitung” veröffentlichten Leserbrief gelobt hatte:

“Deine freundliche Aufmerksamkeit und Anteilnahme freut mich, vielen Dank! Krankheiten, Altersmüdigkeit, Folgen der Umzugsstrapazen im letzten Jahr, auch ungemütliche Nebenwirkungen von ärztlich verordneten Therapien veranlassten mich zum Rückzug und z.B. auch eine meiner Lieblingsbeschäftigungen in den vergangenen Jahren, das Schreiben von Leserbriefen, aufzugeben. Bis ich letztes Wochenende dank BaZ-Lektüre und wohl auch beflügelt durch allgemeines Frühlingserwachen doch wieder in die Schreibtasten griff. (…)”

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BARBARA FREY ERINNERT AN MEINE SCHWESTER ADELHEID DUVANEL

Ergreifende Kunde aus Zürich: Im Zentrum Karl der Grosse erinnert die Germanistin und Theaterregisseurin Barbara Frey in einer tiefgründigen Winterrede an ein öffentlich schon fast vergessenes besonderes Stück Schweizer Literatur aus dem letzten Jahrhundert: an die Poesie meiner Schwester Adelheid Duvanel-Feigenwinter. Die langjährige Intendantin am Schauspielhaus Zürich lässt, verwoben mit eigenwilligen und einleuchtenden Assoziationen, Texte meiner 1996 verstorbenen Schwester aufleben. Aus Barbara Freys Rede zitiere ich: „Auf eine Weise ist Duvanel auch eine Geisterseherin. Aber keine esoterische oder vernebelte, sondern eine seltsam nüchterne, lakonische, die sich nicht wundert über die unverrückbare Nähe von Wachzustand und Tiefschlaf, von Vernunft und reiner Phantasie, von Alltagsmensch und Traumgestalt.“

Erinnerungschwere Worte im Januar 2019.

Felix Feigenwinter

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Wiedererweckung des literarischen Werks von Adelheid Duvanel

Ein Lichtblick in der verrückten, traurigen und schaurigen Zeit der Corona-Pandemie:

Der Limmat Verlag Zürich gedenkt meiner Schwester Adelheid mit der Wiedererweckung ihres literarischen Werks. Bereits am 28. August 2020 schrieb mir Erwin Künzli vom Limmat Verlag:

„…tatsächlich haben wir jetzt den Plan gefasst, alle gesammelten Erzählungen Ihrer Schwester herauszugeben zum 25. Todestag im nächsten Jahr. Auch sollen ein Symposium stattfinden und Führungen an ihre Orte und so weiter.“

Fern von hier“ heisst das voraussichtlich über 500 Seiten starke Buch, dessen Umschlag in der jetzt veröffentlichten Vorschau des Verlags mit einem beeindruckenden Jugendbild meiner verstorbenen Schwester präsentiert wird. Adelheid war noch unverheiratet, hiess also noch nicht Duvanel, sondern Adelheid Feigenwinter, und sie wurde – um 1959/1960 – im Jugend- und Musikcafé Atlantis in Basel fotografiert, wo sie als stille Einzelgängerin oft zu sehen war. Ihre ersten Kurzgeschichten erschienen damals unter dem Pseudonym Judith Januar in den „Basler Nachrichten“.

Felix Feigenwinter, im Dezember 2020

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Dichtermuseum Liestal und Adelheid Duvanel

In der basellandschaftlichen Kantonshauptstadt Liestal hat sich im vergangenen Jahr der einheimische Ruheständler Albert Wirth, früher u.a. Redaktor der Ciba-Geigy-Zeitung in Basel, mit verschiedenen Vorstössen für die Pflege des öffentlichen Andenkens der hier gross gewordenen Schriftstellerin Adelheid Duvanel-Feigenwinter eingesetzt. Mit einer Rede im Bürgerrat plädierte Albert Wirth dafür, zur Erinnerung an die 1996 verstorbene Autorin einen Weg, eine Strasse oder einen Platz in Liestal nach ihr zu benennen, und mit fundierten schriftlichen Eingaben an Einwohnerräte seiner Partei (CVP) versuchte er, diese zu veranlassen, sich für eine angemessene Berücksichtigung von Adelheid Duvanel, meiner Schwester,  in der Dauerausstellung des Dichtermuseums zu engagieren. – Für sein herzhaftes, unermüdliches Engagement danke ich Albert  Wirth! Die von ihm deutlich zur Sprache gebrachte, allzu lange verschwiegene Ungereimtheit (Adelheid Duvanels fehlende Präsenz in der Dauerausstellung des Dichtermuseums ihres Herkunftsortes) ist kulturpolitisch brisant; das Anliegen, dieses Manko zu beheben, benötigt wirksame Unterstützung.

In der Veranstaltungs-Vorschau des Dichter- und Stadtmuseums Liestal lese ich nun im Internet, dass am 4. Juni 2021 im Museum die beiden Herausgeberinnen des dieses Jahr im Limmat Verlag Zürich erscheinenden Adelheid Duvanel–Buches „Fern von hier“, Professorin Elsbeth Dangel-Pelloquin und Friederike Kretzen, „diese von ihnen betreute Gesamtausgabe vorstellen werden“. Ausserdem soll der Adelheid Duvanel-Verehrer Dr. Albert M. Debrunner (Basel) „über seine Bemühungen berichten, in Basel die Erinnerung an die bedeutende Autorin wachzuhalten“, und die Kulturaktivistin und Literaturvermittlerin Martina Kuoni „erzählt aus dem schwierigen Leben der Adelheid Duvanel, die einen Teil ihrer Kindheit in Liestal verbrachte“. In der Zeit zwischen 5. Februar und 4. Juni 2021, also innerhalb von fünf Monaten, möchte Kurator Dr. Stefan Hess in seinem relativ kleinen Museum nicht weniger als achtzehn Veranstaltungen zu verschiedenen Themen über die Bühne bringen; jene über Adelheid Duvanel soll die letzte sein, bevor das Museum zwecks Renovation vorübergehend schliesst. Aufgrund bisheriger Erfahrungen ist nicht auszuschliessen, dass das ehrgeizige Programm wegen der auch im neuen Jahr trotz Freigabe von Impfstoffen verschärften Massnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie unterminiert werden könnte. Dessen ungeachtet bleibt die Hoffung, dass in der dann neu zu gestaltenden Dauerausstellung im Museum an der Liestaler Rathausstrasse ein Platz für Adelheid Duvanel eingeräumt wird.

Felix Feigenwinter, im Januar 2021

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Späte Genugtuung

Antwort auf eine e-mail der Herausgeberin der Adelheid Duvanel-Gesamtausgabe “Fern von hier“, Professorin Elsbeth Dangel-Pelloquin (Januar 2021):

Sehr geehrte Frau Prof. Dangel,

Herzlichen Dank für Ihr freundliches Schreiben vom 12. Januar. Die Wiedererweckung des literarischen Werkes meiner Schwester ist für mich eine höchst erfreuliche Überraschung. Trotz diverser Altersbresten, Beeinträchtigungen wegen chronischer Krankheiten, auch Belästigungen durch Spätfolgen eines Unfalls/Sturzes im vergangenen Jahr erfüllt es mich mit Genugtuung, und ich versuche nun, Ihre Fragen zu beantworten.

Da Sie Texte meiner Frau über Adelheid erwähnen, gehe ich davon aus, dass Ihnen das Buch „Scheherezadel – Eine Basler Autorin wird entdeckt“ (1998, Verlag Isishaus) vertraut und zugänglich ist. Dort finden Sie auf Seite 29 ein Verzeichnis des Frühwerks (30 Texte) mit den jeweiligen Erscheinungsdaten der „Basler Nachrichten“. Die Liste beginnt mit der Erzählung „Im Schatten des Irrenhauses“ (3.7.1960) und endet mit der Geschichte „Die Käferwohnung“ (17. 3. 1968). Das wäre die Antwort auf Ihre Erkundigung, ob alle Texte im BN-Sonntagsblatt (also in den Beilagen der Samstagsausgaben) erschienen seien oder anderswo, auch in den Ausgaben der übrigen Wochentage. Im genannten Verzeichnis ist auch angegeben, wenn ein Text nicht im Sonntagsblatt, sondern auf einer BN-Feuilleton-Seite veröffentlicht wurde, wie: „Das Ziel“ (9.1.1961, im Feuilleton, nicht Sonntagsblatt“) und„Wilborada und das Wildschweinchen“ (20.3. 1962, BN-Beilage „Blickpunkt“) – mehr kann ich dazu leider nicht mehr sagen, da ich alles meine Schwester betreffende Material vor vielen Jahren dem Schweizerischen Literaturarchiv in Bern sowie später den Rest, vor allem Bilder, dem „Museum im Lagerhaus“ in St. Gallen überlassen habe.

Vor etwa 25 Jahren habe ich wochenlang im Zeitungsarchiv der UB Basel die in den Sechzigerjahren, vorerst unter dem Pseudonym Judith Januar, in den BN erschienenen Geschichten herausgesucht und kopiert und dieses Material Herrn Vaihinger vom Verlag Nagel&Kimche zur Verfügung gestellt, der es an Peter von Matt weiterleitete, welcher es dann fürs Buch „Beim Hute meiner Mutter“ verwendete.

Im Verlauf Ihrer Recherchen wurden Sie vielleicht auch auf den Katalog zur Ausstellung „Wände, dünn wie Haut“ (2009) im Museum im Lagerhaus St. Gallen aufmerksam, der eine repräsentative Auswahl der von Adelheid gezeichneten und gemalten Bilder vorstellt und dazu eine bemerkenswert umfassende und vertiefte Analyse von Kuratorin Dr. Monika Jagfeld der Merkwürdigkeiten des schwierigen Lebens sowie des bildkünstlerischen und literarischen Werks von Adelheid Duvanel liefert. Dazu der Link: https://unterricht.phwa.ch/wp-content/uploads/2017/07/Duvanel-Bilder-und-Texte.pdf

Der hochinteressante, auch informativ wertvolle Text von Monika Jagfeld enthält leider einen kleinen Fehler, vermutlich aufgrund eines Missverständnisses bzw. einer Verwechslung: „In den 70er Jahren publiziert sie unter dem Namen Martina kleine Tiergeschichten und Alltagsfeuilletons („Allzu Privates“ ) in der Basellandschaftlichen Zeitung…“, schreibt Frau Jagfeld. Meines Wissens ist aber in der Basellandschaftlichen nie etwas von Adelheid erschienen. Vielleicht kam Frau Jagfeld irrtümlich darauf, weil damals ein Teil des „doppelstab“ unter dem Titel „Baselbieter Anzeiger“ erschien. Sie schreiben ja richtig, dass es sich um eine “doppelstab”-Kolumne handelte. Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich die betreffenden Typoskripte dem Literaturarchiv übergeben. Für den “doppelstab” arbeitete ich zwischen 1965 und 1971 als freier Journalist, und nach einem Unterbruch von zwei Jahren, die ich als Alleinredaktor der aargauischen “Freiämter Zeitung”  in Wohlen verbrachte, zwischen 1973 und 1980 als festangestellter Redaktor. Somit ist davon auszugehen, dass “Allzu Privates” in den Siebzigerjahren erschienen ist.

Im übrigen habe ich alles Wesentliche, was ich über meine Schwester, ihr Leben und ihr Schaffen zu sagen hatte und habe in meinen vier Texten „Persönliche Erinnerungen an meine Schwester Adelheid Duvanel“, „Zwerg Julius und das Riesenfräulein“, „Adelheids Reisen ans Meer“ sowie „Ein schwieriges Leben“ festgehalten. Diese schrieb ich mit noch frischem Gedächtnis; heute bin ich 81jährig, und die Erinnerungen sind zum Teil verblasst.

Nun hoffe ich, dass ich Ihnen dennoch einige für Sie nützliche Hinweise und Informationen geben konnte.

Mit freundlichen Grüssen

Felix Feigenwinter

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„…das Knistern und Rascheln von Zeitungspapier“

Auszug aus einem Brief an Odette N., Januar 2020:

„…ich durchlese täglich in einem Basler Café mindestens drei Tageszeitungen (BaZ, bz, NZZ), wobei neben dem Espresso-Schlürfen das Knistern und Rascheln des Zeitungspapiers zum unentbehrlichen sinnlichen Genuss gehört. Vergnügen eines Fossils, ich weiss…“

Felix Feigenwinter über seine déformation professionelle.

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Corona

Der Verteidigungskrieg gegen die Corona-Viren raubt mir eine meiner täglichen Lieblingsbeschäftigungen. Die notstandsverordnete Schliessung aller Restaurants und Cafés verhindert mein seit Jahren – nein, Jahrzehnten! – behagliches Ritual des täglichen Lesens mehrerer Zeitungen in einem Café.

Die Wissensgewinnung mittels Zeitungslesen habe ich nun, an regenfreien Tagen, in eine  Parkanlage verlegt, wo ich nebenbei frische Luft einatmen und die Liebkosungen der Frühlingssonne geniessen kann. Den Lesestoff, den ich bis vor kurzem noch im Café am Zeitungsständer gratis bezog,  erwerbe ich neu am (glücklicherweise noch offenen) Kiosk; die Kioskfrau trägt Plastikhandschuhe. Dann spaziere ich, im befohlenen Schutzabstand zu anderen Flaneuren und Flaneusen, durch den Park zu einer leeren Sitzbank, auf der ich mich niederlasse, um mich lesend zu informieren und zu inspirieren. Das holde (bei wechselndem Empfinden manchmal auch schauerliche) Krächzen der in den Baumkronen nistenden Raben berieselt mein musikalisches Gehör. Von Zeit zu Zeit versuche ich meine Hände mit mitgebrachtem Desinfektionsalkohol zu reinigen, scheint’s wirksam im Kampf gegen die mit blossem Auge nicht erkennbaren schädlichen Corona-Viren – unter den ungemütlich verrückten Umständen wohl nützlicher als Espressotrinken… 

Meine einfühlsame Schwester Theres empfahl mir am Telefon, auf das mir während des Zeitungslesens so geschätzte Kaffeetrinken nicht zu verzichten, sondern das Getränk zuhause zuzubereiten und in einer Thermosflasche in den Park mitzunehmen. Auch meine liebe Gattin, eifrige Benützerin des Internets, versteht meine altmodische Marotte.

Als über achtzigjähriger chronisch Kranker gehöre ich zur sogenannten Risikogruppe, also zu jenen Individuen, die ihre Wohnung nur zwecks notwendiger Besorgungen (Lebensmittelbeschaffung, Arztbesuch, Gang zur Apotheke) verlassen sollten. Seien Sie solidarisch. BLEIBEN SIE ZUHAUSE. Das Zeitungslesen in anregender Umgebung halte ich für lebensnotwendig – ein Relikt aus meiner früheren Zeit als Journalist, ein subjektives Bedürfnis, heute wohl ein privater Luxus… Wie mache ich das einer Ordnungskraft schmackhaft, die mich vielleicht kontrollieren will?

Mein aufmerksamer, besorgter, vernünftiger Sohn, der in einer anderen Stadt wohnt und arbeitet, mahnte mich – am Telefon – eindringlich, unsere Wohnung nicht einmal zwecks Einkaufens von Lebensmitteln zu verlassen, sondern Hilfsangebote anzunehmen. An solchen fehlt es nicht. Unsere Schwiegertochter übermittelte uns per e-mail die Adresse eines entsprechenden Hilfsdienstes. Und zwei im Haus lebende Nachbarn boten spontan und uneigennützig ihre Hilfe an. Die Solidarität lebt.

Meine in der internetfreien Vergangenheit des letzten Jahrhunderts entwickelte, ins neue Jahrtausend will sagen digitale Zeitalter hinübergerettete Gewohnheit des Lesens von Zeitungen (aus Papier!) mag die Coronakrise vielleicht nicht überleben.  Nach einer wissenschaftlichen Studie überleben die tödlichen Viren auf Zeitungspapier bis zu vier Tagen. Das Zeitungenlesen ist scheint’s gefährlich geworden. Und die angedrohte Verschärfung  der Ausgehregeln könnte meinem altmodischen Verhalten endgültig den Garaus machen: Totales Ausgehverbot für Risikopersonen! Für wieviele Wochen, Monate wohl? Bis zum Lebensende?  Ein solcher Hausarrest machte die ausschliessliche Benützung des Computers zur Informationsbeschaffung unausweichlich. Das beim Lesen so heimelig raschelnde und knisternde Zeitungspapier hätte ausgedient.

Felix Feigenwinter im März 2020

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STURZ, CORONA-TEST, GEHSTOCK

Corona-Tests seien freiwillig, auch für Angehörige der sogenannten Risikogruppe.  So konnte man seit Ausbruch der unheimlichen Pandemie immer wieder lesen und hören.

Am 25. Juni 2020 überreicht mir aber eine Spitalärztin in der Universitätsklinik Basel (Notfallstation, Beobachtungszone) einen Briefumschlag, der ein persönliches ultimatives Aufgebot enthält – ich lese:

Obligatorischer Corona-Abstrich vor Nasenbeinreposition am 3.7.20 in der HNO-Poliklinik.“

Von Freiwilligkeit keine Rede mehr…

Doch das Resultat des Corona-Tests (zwei Abstriche tief durchs linke Nasenloch und in meinem Rachen) ist negativ – kurzfristige Erleichterung, ich bin also (noch?) nicht infiziert…

Wie ich in die Klinik kam?!

Am Mittwoch, 24. Juni 2020, nachmittags, war ich auf dem Centralbahnplatz auf dem Weg zur Tramhaltestelle über einen dort nur ein wenig angehobenen Randstein gestolpert. Mit ungebremster Wucht flog ich Kopf voran auf den Asphalt. Dies war mein sechster Sturz innert sechs Jahren, der bisher gravierendste: heftig blutende Nase (Nasenbeinbruch!), zugeschwollenes rechtes Auge, grotesk aufgedunsenes, vielfarbig schimmerndes Gesicht, blutige Stirn. In einem Sanitätsrettungswagen werde ich als Notfall in die Uni-Klinik transportiert. Dort Röntgen des Gehirns, Diagnose: Zwei Gehirnblutungen. Deshalb während 24 Stunden betreuter Aufenthalt in der Beobachtungszone der Notfallstation.

Ja, nun ist es soweit: Hatte ich nach meinem vorletzten Unfall, vor meinem letzten Sturz, noch jede Gehhilfe als Zumutung abgelehnt, als Angriff auf meine (eingebildete) Souveränität, so wertschätze, ja liebe ich inzwischen meinen freundlichen, honiggelben, leichten Bambus-Gehstock (ein Erbstück), mit dem ich neuerdings unterwegs bin; er ist draussen mein unentbehrlicher Begleiter geworden.

Ohne ihn fühle ich mich unbehaglich, er verleiht mir Sicherheit und Würde. Beim Gang durch die Stadt erblicke ich auf Glasflächen von Schaufenstern mein Spiegelbild: einen Greis mit Zepter. Wunderliches neues Daseinsempfinden.

Felix Feigenwinter, Juli 2020

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REMINISZENZEN AUS MEINEM JOURNALISTENLEBEN – Es geschah an einem Spätsommerabend 1964 vor dem Basler Stadtcasino – Nachtarbeit in der Dachstube – Wege zur Überfremdung – Der Journalist als Clown und König

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WARUM SCHREIBE ICH GESCHICHTEN? –  MEINE SCHWESTER ADELHEID – DIE FAMILIE LICHTENHAHN MEINER MUTTER – GEDANKEN ZUM LEBEN, GLAUBEN UND STERBEN – ERLEBNISSE MIT EINER RABENKRÄHE und andere Texte in Felix Feigenwinter’s Blog:

http://felixfeigenwinter.wordpress.com

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Eine der rund 50 Geschichten, die Felix Feigenwinter neben seiner hauptberuflichen journalistischen Arbeit und späteren anderen Erwerbstätigkeiten geschrieben hat:

Stäubli 
Von Felix Feigenwinter
 
Eigentlich wollte sich Ferdinand Hofer so früh als möglich in seine Wohnung zurückziehen, nachdem er in der letzten Nacht bis zum Morgengrauen durchgearbeitet und anschliessend wegen einer Fahrt aufs Land, wo Überschwemmungsschäden zu besichtigen waren, nur kurz geschlafen hatte. Hofer fotografierte die Überflutungskatastrophe; die Fotos hat er der Redaktion abgeliefert, dazu kurze Bildlegenden. Viel zu schreiben gab es nicht, die Bilder informierten eindrücklich. Morgen würden sie in der Zeitung veröffentlicht.  
 
Die nächtliche Berichterstattung über eine Presseführung durch die Drogenszene liess ein dumpfes Gefühl zurück. Seinen Zeitungsartikel hatte er am frühen Morgen während der Reise zum wassergeschädigten Dorf noch einmal überflogen – er verabscheute diesen Text. Er hatte versucht, Anarchie aus dem Blickwinkel rechtsstaatlichen Bewusstseins darzustellen, den Dschungel der Drogenhölle zu rationalisieren. Das Elend der Drogenkranken, das ungehinderte Auftreten ihrer Giftzulieferer überführte die Imagepflege der Stadt ins Groteske. Hofer hatte sich eines radikalen Kommentars enthalten, und nun ekelte ihn die Scheinheiligkeit, der er sich resigniert unterworfen hatte.
 
Zwischen anderen Feierabendverkehrern wartete er aufs Tram, als ein neues Gewitter krachend und prasselnd auf die Menge niederschlug.
 
Da er nicht unter dem schützenden Dach der Haltestelle Platz gefunden hatte und der sehnlichst erwartete Tramzug immer noch nicht erschien, flüchtete er hemdsärmlig zum nächsten möglichen Unterstand – in die Bar gegenüber.
 
Den eher kleinen, ein wenig dicklichen Mann im bräunlichen Anzug hatte er vorerst nicht bemerkt, und nachdem er ihn in der Spiegelwand hinter der Theke endlich flüchtig gesehen hatte, interessierte er ihn immer noch nicht, so unscheinbar wirkte er zwischen den anderen Barbesuchern, wie ein Mensch, der Ansprüche an andere zu stellen sich abgewöhnt und mit dieser Bescheidenheit diskret umzugehen gelernt hat. Erst, nachdem er gebeten hatte, zahlen zu dürfen, stutzte Hofer. Er ertappte sich bei der Erwartung, der von ihm als konventionell eingeschätzte Gast würde nun ein ordentliches Portemonnaie hervorziehen und etwas umständlich und pedantisch das verlangte Geld hinblättern. In Wirklichkeit griff dieser, nachdem Heidi, die Bardame, den Preis der konsumierten Getränke genannt hatte, mit fahriger Bewegung in die Kitteltasche, um einige Münzen zwischen zerknüllten Geldscheinen zum Vorschein zu bringen; diese ganze Barschaft legte er wie ein kleines Kind, das noch nicht rechnen gelernt hat, auf die Theke, um das Zählen Heidi zu überlassen, die dieser Aufgabe beflissen nachkam. Eine der übriggebliebenen Noten schob er dann wie nebenbei – und auch ein wenig verschämt, wie Hofer schien – als grosszügiges Trinkgeld zu Heidi hin; das restliche Geld stopfte er zerstreut in die Kitteltasche zurück. Hofers oberflächliches Vorurteil über diesen Mann war damit zerstört. Der kleinbürgerliche Buchhalter (so etwa hatte er ihn vorerst spontan, aber wenig differenziert eingeschätzt) oder buchhalterische Kleinbürger zeigte beträchtliche Verwahrlosungserscheinungen. Schlapp und ausgebrannt, zu einer klärenden Verhaltensanalyse momentan unfähig fühlte sich Hofer, der einst Vorlesungen über Psychologie und Soziologie besucht hatte, ohne das Studium abzuschliessen, bevor er sich dem Journalismus hingab; statt psychologische Rätsel zu lösen sehnte er sich jetzt nach einem entspannenden Schaumbad bei sich zu Hause mit anschliessendem störungsfreiem Tiefschlaf. Doch der Gast neben ihm hatte noch andere Überraschungen im Sinn.
 
Nachdem er vom Barstuhl gerutscht war, den er sorgfältig und ein wenig linkisch zur Theke schob, verabschiedete er sich artig. Dabei musterte er Hofer kurz, und dieser sah ihm zum erstenmal an diesem Abend direkt ins Gesicht. Nun nahm er die Spaltung der Oberlippe wahr, ein Merkmal dieser Physiognomie, das Hofer nicht bemerkt, als er den Fremdling in der von Flaschen verstellten Spiegelwand hinter der Theke betrachtet hatte.
Der kleine Mann wollte sich offenbar schon dem Ausgang zuwenden, als er innehielt und den Journalisten wie verwundert ansah. Hatte ihn dessen Beobachtung gestört, fühlte er sich verletzt? Er beäugte Hofer nun aufmerksam, was diesen ebenso erstaunte wie verwirrte, denn er hielt den Fremden für einen eher schüchternen Menschen, und dieser sagte nun leise, aber bestimmt:
 
„Wir kennen uns, nicht wahr.“
 
„Nein“, murmelte Hofer ironisch, „woher denn?“
 
Er konnte sich gut vorstellen, woher, war er doch als Journalist gewissermassen eine öffentliche Person, und seit Jahren erschienen viele seiner Interviews, Reportagen und Kommentare (überflüssigerweise, wie er schon lange fand) mit seinem Porträtbild.
Dass der Unbekannte nun seinen Namen nannte, schien seine Befürchtung zu bestätigen, und er antwortete arroganter, als er beabsichtigt hatte: „Sie sind wohl ein eifriger Zeitungsleser?“
„Das auch“, bestätigte der ungebetene Gesprächspartner gelassen; er schien Hofers mürrische Reserviertheit nicht wahrzunehmen oder ignorierte sie, weil sie nicht in sein Konzept passte; „ich habe deine Artikel von Anfang an mit Interesse verfolgt!“
 
Nun begann er ihn also noch ungefragt zu duzen; aus der Sicht eines wenn auch inzwischen etwas korrumpierten, ja vielleicht versnobten sogenannten Achtundsechzigers, für den viele, vor allem Nichtachtundsechziger, Hofer immer noch hielten, natürlich kein Faux-pas. Seit Ende der Sechzigerjahre hatten sich die Umgangsformen zumindest in gewissen Kreisen gelockert, aber der Mann (Hofer beharrte vorläufig darauf: ein Kleinbürger, wenngleich vielleicht ein angeknackster) sah nicht danach aus, als ob er vor Jahren Tramschienen besetzt oder Professoren mit schrillen Parolen erschreckt habe; Hofer konnte sich auch nicht vorstellen, dass sich dieser Mensch auf dem Gelände, wo ein Atomkraftwerk hätte erbaut werden sollen, von Polizisten hätte wegtragen lassen. Der Barbesucher mit der enggeknüpften, gräulichen Krawatte wirkte auf Hofer nach wie vor ängstlich-konventionell, den Starken und Mächtigen Ehrfurcht und zumindest heimliche Bewunderung zollend (weiss der Teufel warum, die Krawatte allein konnte es doch kaum sein!).
 
Wahrscheinlich hatte dieser brave Mann einfach zuviel getrunken, dachte Hofer; das enthemmte ihn.
 
„Wir sind miteinander zur Schule gegangen, ins Gymnasium!“ verriet nun aber Klaus Stäubli – so hiess die Barbekanntschaft, wie Hofer sogleich erfuhr, nachdem er selber bisher keine Zeichen des Wiedererkennens hatte signalisieren können. Nebulöse Bilder stiegen in ihm auf. Dann und wann begegnete er beim Gang durch die Stadt oder an Pressekonferenzen den vertrauten und doch schon verzerrten Gesichtszügen ehemaliger Schulkameraden, die ihren privilegierten Bildungswegen entsprechend zu gesellschaftlichen Schlüsselfiguren mutiert waren, indem sie nun Machtpositionen in der Welt der Wirtschaft, der Politik, der Kultur einnahmen. Sie präsidierten Verwaltungsratssitzungen, erschienen überlebensgross als Regierungs- oder Nationalratskandidaten auf Plakatwänden, hielten Vorlesungen in der Universität oder veranstalteten internationale Ausstellungen oder Kongresse. Klaus Stäubli gehörte offensichtlich nicht zu dieser Elite; Hofer hatte Mühe, ihn zu identifizieren. Nur verschwommen erinnerte er sich schliesslich an einen kleinen, etwas verschupften Buben mit einer Hasenscharte in der ersten oder zweiten Gymnasialklasse, was seine bisherige Abwehrhaltung in gerührte Anteilnahme umschlagen liess.
 
„Das müssen wir feiern!“ rief er aus, und er bat Stäubli, sich wieder auf den Barstuhl zu hissen, „ich kann mich jetzt tatsächlich entsinnen! Das war in der Unterstufe; nachher warst du nicht mehr in unserer Klasse?“
Seine Müdigkeit schien plötzlich verflogen.
 
Flugs hatte Heidi eine Flasche Weissen im Kühlbehälter und zwei frische Gläser hervorgezaubert, die sie behänd füllte. Hofer stiess sein Glas übermütig an Stäublis Glas („auf ein langes Leben!“), der aber setzte, nachdem er den ersten Schluck genehmigt hatte, eine eher grüblerische Miene auf.
 
„Ich verliess das Gymnasium nach der vierten Klasse“, berichtete er, „ich hatte schlechte Noten. Meine Mutter, die als alleinstehende Putzfrau kein grosses Einkommen hatte, fand es vernünftig, mich in eine Verwaltungslehre zu stecken. Noch während der Lehre starb meine Mutter an Krebs, und nach dem Lehrabschluss fand ich eine Anstellung im Grundbuchamt. Noch heute arbeite ich dort. Im Gegensatz zu dir bin ich nur eine ganz gewöhnliche Arbeitsbiene, eine winzige Ameise in einem riesigen Haufen, nicht wahr.”
 
„Das bin ich doch auch!“ behauptete Hofer. „Jeder ist das letztlich…“
 
“Nein, nein“ protestierte Stäubli, „du gehörst zu den Prominenten. Die ganze Stadt kennt dich, weil dein Bild und dein Name fast täglich in der Zeitung erscheinen, nicht wahr. Du bist etwas Besonderes, kein gewöhnlicher Sterblicher. Du hast Privilegien. Und Macht! Deine Zeitungsartikel beeindrucken und beeinflussen Tausende von Menschen!“
 
„Nun gut“ lenkte Hofer ein, „gewisse Privilegien haben Journalisten schon, angefangen von den Einladungen zu Banketten bis zu den Gratisflügen. Den täglichen Umgang mit Prominenten, mit wirklichen Prominenten – nicht mit Journalistenkollegen – kann man natürlich auch als Privileg betrachten. Nur: wirtschaftlich profitiere ich nicht davon. Meine Honorare als freier Journalist werden, schätze ich, summa summarum kaum grösser sein als dein gesichertes Beamteneinkommen. Ich habe keine bezahlten Ferien etcetera. Ich hätte es anders haben können: meine feste Anstellung als Redaktor habe ich freiwillig aufgegeben. Als freier Journalist fühle ich mich unabhängiger; das Diktat der Verlegerinteressen und der Grossinserenten bekomme ich weniger direkt zu spüren. Im Grunde genommen bin ich ein
Bohemien. Ich lebe gewissermassen von der Hand in den Mund. Freiheit ist mir wichtiger als Sicherheit.“
 
„Bohemien zu sein ist auch eine Art Luxus, ein Privileg“ erwiderte Klaus, „besonders, wenn
es mit soviel Prestige verbunden ist, nicht wahr.“
 
„Wie recht du hast“ beschwichtigte Hofer, „aber nicht jeder würde sich in meiner Haut wohlfühlen, stelle ich mir vor. Würdest du es?“
 
„Ich weiss nicht. Es ist für mich eigentlich unvorstellbar. Obwohl ich früher auch schöpferische Ambitionen hatte und von einem unabhängigen Leben träumte.“ Klaus schaute sich ängstlich um, als ob er sich vergewissern wollte, ob niemand anderer zuhöre, und  flüsterte: „Als junger Mensch wollte ich Kunstmaler werden. Ich habe eine ganze Reihe von Bildern gemalt, in meiner Freizeit.“
 
Hofer versuchte, sich Stäublis diskretem Ton anzupassen. „Also bist du ein getarnter Künstler? Hast du deine Bilder schon ausgestellt? In welcher Galerie?“
 
Klaus schien zu erröten (aber vielleicht bildete es sich Hofer nur ein. Vielleicht glühte das Gesicht wegen des Weinkonsums.)
„Nein“ sagte er, „nein. Das ist eine Geschichte für sich.“
„Erzähle!“ insistierte der Journalist.
 
Und nun erzählte der Sachbearbeiter aus dem Grundbuchamt eine dramatische Geschichte; Hofer kam aus dem Staunen nicht heraus. Stäubli berichtete von einer Brandkatastrophe in einem stillgelegten Fabrikgebäude, wo er ein Atelier gemietet habe, um sich seiner leidenschaftlichen Freizeitbeschäftigung, dem Bildermalen, zu widmen. Ein Galerist, der ihn im Atelier besucht habe, sei begeistert gewesen und habe eine Ausstellung geplant; doch bevor es dazu gekommen sei, habe das Feuer die Bilder vernichtet. 
 
„Das ist fatal!“ rief Hofer, „und du behauptest, du seist gewissermassen eine hundsgewöhnliche Ameise?! Ich kenne deine Gemälde zwar nicht. Aber was du mir da erzählst, ist aussergewöhnlich und tragisch! Ich hoffe, du malst trotzdem weiter, lässt dich vom Schicksal nicht kleinkriegen?“
 
„Ich kann nicht mehr malen!“ seufzte Stäubli. „Nachdem meine Bilder verbrannt sind, war ich wie gelähmt. Seither hat mich die Muse nie mehr geküsst. Das Feuer hat sie sozusagen verscheucht…“
 
Nach einer Weile bedrückten Sinnierens meinte Stäubli zu Hofer: „Du bist ein Schreiber, das ist dein Beruf. Es wäre schön, wenn du mir meine Geschichte aufschreiben könntest. Würdest du das für mich tun?“
 
„Ich bin kein Schriftsteller“ wehrte Hofer ab, „nur ein ziemlich beschäftigter und mittlerweile wohl auch etwas ausgelaugter Journalist. Obwohl mich deine Geschichte bewegt, weiss ich nicht, ob ich sie so schreiben könnte, wie es dir und deinem Schicksal angemessen wäre. Es würde vielleicht eine Art Reportage daraus.“
 
„Bitte“ bettelte Klaus, „mir zuliebe. Ich würde diese Arbeit bezahlen. Wieviel verlangst du? Zweihundert Franken, dreihundert? Mit meinem relativ bescheidenen Sacharbeiterlohn und den sozialen Verpflichtungen, die ich ja auch habe, sind mir leider Limiten gesetzt, nicht wahr. Dreihundert Franken? Ginge das?“
 
„Mich reizt die Aufgabe“ gab Hofer zu, „aber wenn schon, würde ich es für dich natürlich gratis schreiben. Vielleicht kann ich den Text gelegentlich ja irgendwo veröffentlichen. Dann würden wir das Honorar teilen, uns einen gemütlichen Saufabend leisten. Doch, ich möchte es versuchen. Aktuell ist der Stoff ja nicht gerade. Wann war dieser Brand?“ –   “Vor achtzehn Jahren.“ – „Eben. Ein historisches Ereignis, kein aktuelles.“
 
Nun verstummte Klaus. Er starrte schweigend vor sich hin. Hofer hielt es für ratsam, den Abend zu beschliessen.
 
Als sie aus der Bar aufs Trottoir traten, glänzte der Asphalt vom Gewitter; die Nacht war angebrochen, und es war fast kühl, regnete aber nicht mehr. Sie vereinbarten, sich in einer Woche wieder hier zu treffen, und Hofer stellte in Aussicht, ein Typoskript mit der Geschichte über den Brand von Stäublis Bildern mitzubringen. Bevor sie in verschiedene Richtungen wankten, umarmten sie sich wie zwei alte Freunde.     
 
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Frivol flatterten entlang der Brücke bunte Fahnen zum Zeichen eines festlichen Ereignisses im ungetrübten Sonnenlicht, die Temperatur hatte dreissig Grad Celsius längst überschritten, und im Fluss trieb ein blendend weisses Schiff mit ausgelassen tanzenden Menschen in wehenden Schönwetterkleidern. Jauchzende Stimmen drangen ans Ufer. Zwischen dem Kellner, der Hofer das kühlende Getränk aufs gelbe Plastiktischchen stellte, und den sich im Boulevardbistro entspannenden Gästen wollte indes kein lockeres Gespräch entstehen. 
 
Hofers Vorhaben: Sich in hochsommerlicher, heiterer Atmosphäre in die herbstliche Seelenlage eines introvertierten Antihelden und Pechvogels zu vertiefen, seine Zufallsbegegnung mit Klaus Stäubli für die Darstellung von dessen Erzählung über das Ende der Laufbahn als Kunstmaler zu nützen. Welch` wahnwitzige Aufgabe! Sie versetzte den Journalisten in Aufregung und Abenteuerlust, in anfängerhaftes Lampenfieber, wie es ihn in den letzten Jahren seiner journalistischen Routinetätigkeit nie mehr erfasst hatte. Dabei war sein „Auftraggeber“ kein grimmiger Chefredaktor, sondern ein ohnmächtiges Büromännchen und Träumerchen, und es war kaum damit zu rechnen, dass der Text, den zu schreiben er ihm versprochen hatte, bei bedeutenden Lesern Beachtung finden würde. Von der fehlenden Aussicht auf eine finanzielle Entlöhnung ganz zu schweigen.
 
Zu seiner Überraschung machte es ihm allerdings keine Mühe, die Erzählung innert knapp einer halben Stunde wie aus einem Guss aufs Papier (genauer: auf die karierten Blätter eines Notizblocks mit grünem Umschlag) zu kritzeln. Er hatte das Präsens gewählt und stellte das Geschehen aus der Sicht der Hauptfigur dar, in der ersten Person.
 
Nach einem Spaziergang dem Fluss entlang und anschliessendem Imbiss in einem anderen Boulevardrestaurant las er seinen Text noch einmal und begann sich mit der Idee zu quälen,         
sich als Autor nicht nur von der darzustellenden Hauptfigur, also sozusagen von Klaus Stäubli, distanzieren zu müssen, sondern auch zeitlich von der darzustellenden Geschichte. So begann er am selben Nachmittag einen zweiten Text zu verfassen, indem er nun das Imperfekt und für die Hauptfigur die dritte Person verwendete. Diese neue Variante überzeugte ihn auch noch drei Tage später, nachdem er sie nochmals mit dem ersten Text verglichen hatte, und deshalb tippte er sie einigermassen zufrieden in seinen Computer. Er speicherte sie und erstellte einen Abdruck, um ihn Stäubli abends in die Bar zu bringen.
 
Auf dem Weg dorthin las er seinen Text ein weiteres Mal, und er war auf einmal wieder unsicher, ob er Stäublis Erwartungen entspreche. Er meinte Unzulänglichkeiten zu entdecken, er erschien ihm stilistisch unheinheitlich, und er empfand das Bedürfnis, ihn neu zu konzipieren. Die erste Fassung, die er nicht in den Computer getippt hatte, schien ihm frischer, lebendiger. Er bedauerte, sie nicht ebenfalls abgeschrieben und ausgedruckt zu haben; er hätte sie Stäubli als Alternative vorlegen können. Solche Überlegungen waren jetzt freilich zu spät, denn in wenigen Minuten würde er die Bar betreten, wo sein Auftraggeber und wahrscheinlich einziger Leser sicher schon ungeduldig wartete, und er würde, ähnlich wie ein Aufsatzschreiber in der Schule der Note des Lehrers, seinem Urteil entgegenbangen… Die Absurdität seiner eingebildeten Ängste war ihm bewusst, und er beschloss, den komischen Aspekt seines selbstgewählten Risikos auszukosten.
 
Als er das Lokal schliesslich betrat, konnte er Stäubli nicht sofort sehen. Dieser sass nicht wie das letzte Mal an der Bar, sondern hatte sich auf einer Holzbank in einer Nische an einem kleinen Tisch niedergelassen, ein gewissermassen geschützter Platz, den er für die vorgesehene Lektüre wohl für geeigneter hielt. Kaum hatte er den Journalisten erblickt, grüsste er mit einer diskreten Handbewegung und setzte sich sogleich eine Lesebrille auf die Nase, die er offenbar schon bereitgelegt hatte. Hofer liess sein Glas füllen und stiess gemächlich an, ohne vorerst auf Stäublis spürbare Ungeduld einzugehen. Um eine möglichst lockere Stimmung besorgt, plauderte der Journalist Minuten lang von Belanglosem, das er im Verlauf der letzten Tage während seiner Arbeit erlebt hatte. In Stäublis erwartungsvollen Miene schienen sich Züge der Enttäuschung, ja vorwurfsvoller Entbehrung abzuzeichnen.
 
Daher beeilte sich Hofer nun doch, sein Gegenüber nicht länger auf die Folter zu spannen. Er öffnete sein Ledertäschchen und zog den Computerausdruck hervor, den er ihm neben das Weinglas schob.
 
Stäublis Miene heiterte sich auf. „Du hast es also doch geschafft“, frohlockte er, „ich hatte ehrlich gesagt schon befürchtet, du wärst nicht dazugekommen, bei all deinem journalistischen Stress, nicht wahr!“
 
„Versprochen ist versprochen“, antwortete der Journalist und erhob sich, „Entschuldigung, ich muss mal pinkeln gehen.“ Er entfernte sich Richtung Pissoir, obwohl er keinen Harndrang verspürte, aber er suchte nach einer Gelegenheit, Klaus Stäubli ungestört lesen zu lassen. Er wollte nicht Zeuge seines etwaigen Stirnrunzelns oder verbalen Nörgelns während des Lesens sein. Allfällige Kritik sollte er anschliessend anbringen.
 
Hofer strebte also Richtung Abort- und Telefontüre, begrüsste unterwegs zwei Medienkollegen, die hier allabendlich sassen, wählte am CD-Automaten ein halbes Dutzend Stücke mit eher sanften Backgroundmusik, die, so dachte er, Stäubli beim Lesen milde stimmen könnten und verkroch sich während einiger Minuten hinter der ominösen Tür. Als er zurückkehrte, schien Stäubli den Text zu kennen.
 
Der Computerausdruck lag jedenfalls sorgfältig zusammengefaltet auf der Bank, Klaus Stäubli schaute unverschämt zufrieden, ja beinahe verklärt, und er hatte bereits eine neue Flasche Wein bestellt und serviert bekommen. Als ihn ein junges Paar fragte, ob zwei Plätze am Tisch frei seien, gab er redselig Auskunft; er sässe hier zusammen mit einem Bekannten, der sei gerade auf der Toilette, käme aber sicher bald zurück, sehr lange könne das kaum dauern.
 
„Nehmt nur Platz. Wir können zusammenrücken“, sagte Hofer munter. Die beiden neuen Gäste kuschelten sich hinter den Tisch.
 
„Hat es dir gefallen?“ fragte Hofer überflüssigerweise und deutete auf das Papier auf der Bank. Stäubli nickte dankbar, setzte eine feierliche Miene auf.
 
„Oh, sehr! Ich bin beeindruckt. Hintergründig, um nicht zu sagen abgründig, ein wenig ironisch, aber nicht zynisch, eher melancholisch. Pfiffig, wie du die Pointe herausgearbeitet hast. Das ist für mich ein ganz wertvolles Geschenk! Wie schon gesagt, ich würde deine Arbeit gerne bezahlen. Darüber können wir ja noch einmal reden, nicht wahr. Mir gefällt die Geschichte.“
 
„Es ist deine Geschichte, du bist die Hauptfigur. Und gleichzeitig mein Auftraggeber“, ergänzte Hofer. „Auf ein Honorar verzichte ich, das weißt du, das haben wir doch schon besprochen. Könntest du sie mir nochmals geben? Ich möchte sie noch einmal lesen. Mit diesem fetten Lob im Ohr liest sie sich bestimmt anders!“
 
Er begann, sich (einmal mehr) auf seinen Text, auf Stäublis Geschichte zu konzentrieren.
 
Nach der Lektüre lehnte er sich entspannt zurück. Zum erstenmal hatte ihn der Aufsatz befriedigt. Es störte ihn nicht mehr, dass ihm beim Lesen Verbesserungen einfielen, brillantere Formulierungen, stilistische Möglichkeiten, den Text leichter wirken zu lassen. Ich habe ihm seine Geschichte, einen Ausschnitt seiner Geschichte geliefert, ihm zu einer Bedeutung verholfen, die ihm bisher in seiner ameisenhaften Büroexistenz (wie er es angedeutet hatte) offenbar gefehlt hat, dachte Hofer.
 
„Nehmt ihr noch was?“ meldete sich nun Ursulina, die Serviererin (die eigentlich Germanistik studierte, wie Hofer wusste, und mit dem Job in der Bar ihr Studiengeld aufbesserte).
 
Klaus, in prächtiger Spendierlaune, bestellte die dritte Flasche Wein.
 
„Du hast mir zur Individualität verholfen“, behauptete nun Stäubli, „mir eine Identität geschenkt!“
 
„Übertreibe nicht“, wehrte Hofer ab, „du hattest doch schon vorher eine Identität! Während unserer ersten Begegnung hier hast du mir von deiner Mutter erzählt. Was ist mit deinem Vater?“
 
„Mein Vater kommt aus einer Patrizierfamilie, ein Aristokrat“, antwortete Stäubli; „ich war der uneheliche Sohn der Putzfrau dieser Familie. Mein Vater hat sich nie um mich gekümmert. Er war damals wohl noch zu jung, unreif, ein Pubertierender.“
 
„Und seine Familie?“ insistierte Hofer.
 
„Die Eltern meines Vaters ignorierten das Problem. Es war ihnen wahrscheinlich peinlich. Meine Mutter war natürlich keine standesgemässe Geliebte ihres Sprösslings! Aber vielleicht wusste man gar nicht, dass ich der Kegel ihres Sohnes war“, sinnierte Stäubli bitter.
 
„Sehr aristokratisch, ich meine edel verhielt sich dein Vater dir gegenüber also nicht gerade“, spöttelte Hofer.
 
„Auch nicht gegenüber meiner Mutter“, bekräftigte Stäubli; „mein Vater war kein Gentleman, er liess sie mit ihrem unehelichen Kind im Stich. Und täusch’ dich nicht! Die hiesigen Patrizierfamilien sind nicht gerade bekannt für Grosszügigkeit in solchen Dingen. Eher für Knausrigkeit. Und Diskretion. Über Geldprobleme redet man nicht. Man spricht auch nicht über uneheliche Kinder. Die existieren ganz einfach nicht.“
 
„Hast du später nie versucht, mit deinem Vater Kontakt aufzunehmen?“
 
„Ich weiss, wer er ist“, beteuerte Stäubli; „er heisst natürlich nicht Stäubli. Ich habe ihm erst jetzt einen Brief geschrieben, erst vorgestern, zum erstenmal; ich habe zufällig erfahren, er sei schwer krank. Er lebt jetzt in einem Sanatorium. Vielleicht gehe ich ihn dort einmal besuchen. Ich habe den Brief noch nicht abgeschickt. Aber ich werde es tun. Vielleicht schon morgen.“
 
„Vielleicht gibt es etwas zu erben für dich?“ schmunzelte Hofer.
 
Auf diese Anzüglichkeit verweigerte Stäubli eine Antwort.
Er sah auf einmal unruhig auf die Uhr und verabschiedete sich plötzlich eilig und wortkarg.
 
Hofer war unsicher, wie er den abrupten Weggang seines Schulkameraden deuten sollte; hatte er ihn mit seiner unbedachten Bemerkung verstimmt? Wie passte dieser schroffe Abschied zu den vorher geäusserten überschwänglichen Dankesbekundungen?
 
Enttäuscht und aufgeschreckt interpretierte Hofer Stäublis unerwartetes Verhalten als alarmierenden Vertrauensbruch, und es drängte ihn nun ebenfalls, zu zahlen.
 
Nachdem er die Bar verlassen hatte, bemerkte er erstaunt, wie hell es draussen noch war. Der linde Sommerabend verlockte zum Spazieren; vor allem junge Menschen strömten in Gruppen über den Boulevard, und nur mit Mühe konnte Hofer Stäubli erkennen, wie dieser sich scheinbar ziellos durch die Menge wand, schliesslich den die Stadt teilenden Fluss überquerte, ohne die sich anbietende Aussicht auf den breiten Wasserstrom mit den aneinandergereihten mittelalterlichen Häusern am Ufer zu beachten, die in den aufsteigenden Schatten zu versinken schienen. Auf der Brücke hätte er ihn beinah’ aus den Augen verloren, da sich dem Journalisten ein ihm zufällig entgegenschreitender, von Parteikollegen umringter Grossrat in den Weg stellte, der mit ihm über eine in der Zeitung geäusserte Kritik, mit der der Politiker offenbar nicht einverstanden war, diskutieren wollte. Hofer konnte sich der Umzingelung mit dem glaubwürdigen Hinweis auf seine unaufschiebbare Eile entwinden, und es gelang ihm gerade noch, zu beobachten, wie Klaus Stäubli aus der Hauptverkehrsader in eine Seitengasse einbog, die in eine verwinkelte Altstadtgegend führte.
 
Der Glanz des Abendlichtes, der Hofer noch während des Gangs über die Brücke berauscht hatte, war in der engen Gasse vollständig erloschen, durch die Stäublis gedrungene Gestalt nun geisterte. Da war die Nacht schon hereingebrochen, und vor einem düsteren Haus sah man eine Ansammlung zumeist junger Männer und Frauen, darunter Jugendliche mit traurigen, bleichen Kindergesichtern, in verwahrlosten Kleidern. Klaus wich den Drogenkranken nicht aus, blieb, als er sich mitten unter ihnen befand, stehen, beugte sich zu einer auf dem Boden sitzenden jungen Frau nieder und sprach mit ihr. Hofer stand vor dem matt beleuchteten Schaufenster eines Trödlerladens und beobachtete den für ihn immer noch rätselhaften Vorgang aus einiger Distanz. Klaus beachtete ihn nicht. Schliesslich sah er, wie Stäubli mit der linken Hand übers Haar der Drogensüchtigen strich, sich aufrichtete und seinen Gang fortsetzte. Er taumelte nun durch eine noch engere Gasse zum Uferweg hinunter. Dort liess er sich auf einer der Bänke nieder, wo tagsüber bei schönem Wetter manchmal Rentner und Liebespaare sassen, und er schien nun unverwandt auf den inzwischen eingedunkelten Strom zu starren.
 
Hofer überlegte, ob er sich zu ihm gesellen sollte, um die Gelegenheit zu nützen, den so seltsam unterbrochenen Kontakt wieder aufzunehmen. Er näherte sich ihm von hinten, in der Absicht, ihn vorsichtig anzusprechen; aber nun hörte er zu seiner Überraschung, dass Stäubli weinte. Es schien ihm angemessener, ihn in seiner Einsamkeit doch nicht zu stören; behutsam wich er zurück, dabei hörte er, wie das Schluchzen verstummte. Nun beobachtete er, dass sich Stäubli erhob, zielstrebig zur Treppe ging, lautlos wie ein Gespenst hinunterstieg und ohne zu zögern ins Wasser plumpste; nur ein kurzes Glucksen war zu vernehmen. Hofer begriff, dass er Zeuge eines Selbstmords wurde: sein Schulkamerad ertränkte sich! Noch erspähte er eine kurze Weile den Kopf im Wasser, bis auch der ganz untertauchte, einfach verschwand. Stäublis Existenz, von Hofer sorgsam registriert, war ausgelöscht – die wiedergefundene Identität zerstört.
Ungläubig starrte Hofer auf den dunklen Strom, dessen Oberfläche die Abendlichter reflektierte. Hierauf ging er energisch, beinahe zornig dem Ufer entlang unter den Brücken vorbei und begann eine lange stumme Wanderung durch die Nacht.